Psychische Erkrankungen rechtzeitig erkennen
Psychosomatische und psychotherapeutische Sprechstunden im Betrieb tragen dazu bei, psychische Erkrankungen von Beschäftigten zu verhindern oder rechtzeitig zu erkennen. Die BAuA forscht bereits seit einigen Jahren zur optimalen Gestaltung solcher Angebote.
Psychische Erkrankungen als Herausforderung für die Arbeitswelt
Psychische Erkrankungen treten verstärkt in einem Alter auf, in dem die meisten Menschen berufstätig sind. Sie gehen oft einher mit Leistungsminderung, eingeschränkter Arbeitsfähigkeit, krankheitsbedingten Fehlzeiten, Frühberentung und Arbeitslosigkeit.
Psychische Beeinträchtigungen und Erkrankungen werden häufig zu spät erkannt. Es dauert oft Monate bis Jahre, bis sie angemessen behandelt werden und eine entsprechende Therapie möglich wird. Damit erhöht sich das Risiko einer Chronifizierung, welche in vielen Fällen mit einer langfristigen Arbeitsunfähigkeit einhergeht.
Information und Beratung am Arbeitsplatz
Gründe für die verspätete Inanspruchnahme von Hilfe bei psychischen Krisen sind unter anderem Angst vor Stigmatisierung, mangelnde Information und ein ungenügender Zugang zu Erstberatung und Psychotherapie.
Es bietet sich daher an, Berufstätige direkt am Arbeitsplatz zu informieren und ihnen dort ein Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen. Hier setzen verschiedene Angebote an, in denen psychologische und psychotherapeutische Experten und Expertinnen mit Unternehmen zusammenarbeiten. Beschäftigte erhalten eine therapeutische Kurzzeitintervention, werden bei der Lösung ihrer Probleme unterstützt und, falls erforderlich, wird der Zugang zum medizinisch-therapeutischen System erleichtert.
Inhalte der psychotherapeutischen und psychosomatischen Sprechstunde im Betrieb (PSIB)
Im Fokus dieser Coaching- bzw. therapeutischen Angebote steht eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der psychischen Krise. Sie beinhalten eine diagnostische Ersteinschätzung und eine kurzzeittherapeutische Intervention durch Psychotherapeuten. Der Schwerpunkt liegt auf arbeitsbezogenen Themen.
Die Angebote zielen darauf ab, psychische Krisen zu erkennen und zu reflektieren sowie Strategien zu vermitteln, wie mit psychischen Belastungen besser umgegangen werden kann, zum Beispiel mit Stress, Konflikten bei der Arbeit und/oder familiärer Belastung. Im günstigen Fall tragen sie dazu bei, psychische Erkrankungen zu vermeiden. Im Einzelfall kann sich dabei aber auch herausstellen, dass eine längerfristige Behandlung (Therapie und/oder Klinikaufenthalt) erforderlich ist.
Rahmenbedingungen der psychosomatischen bzw. psychotherapeutischen Sprechstunde
Das Angebot ist meist wie folgt gestaltet:
- Der Zugang erfolgt entweder anonym und direkt für Beschäftigte (zum Beispiel über innerbetriebliche Informationen) oder über einen betrieblichen Ansprechpartner wie beispielsweise den Betriebsarzt
- der Ort der Sprechstunde ist meist betriebsnah
- einen Termin zu bekommen ist einfach und erfolgt zeitnah
- behandelnde Experten und Expertinnen sind aus dem psychosomatischen bzw. psychotherapeutischen Bereich
Die Anzahl der Termine ist auf 3 bis 15 begrenzt Förderlich für die Akzeptanz und Inanspruchnahme der Sprechstunden sind eine gute innerbetriebliche Koordination und Information, sowie die Versicherung einer strikten Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht.
Weitere Empfehlungen für Betriebe zur frühen Intervention bei psychischen Krisen sind:
- Akzeptanz und Vertrauen als betriebliche Kultur sind die Grundlage für den offenen Umgang mit psychischen Krisen und Belastungen.
- Angebote, die zeitnah und ohne große Hürden wahrgenommen werden können, fördern die frühzeitige Auseinandersetzung mit psychischen Belastungen.
- Eine interprofessionelle Zusammenarbeit von betrieblichem und medizinisch-therapeutischem System unterstützt das Entwickeln und Umsetzen von Maßnahmen.
Risiko- und Resilienzfaktoren sollten bei der Sprechstunde in den Blick genommen werden. Dazu gehören: betriebliche Strukturen, Über- und Unterforderung, das Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen, berufliche und private soziale Unterstützung sowie die Freizeitgestaltung. Mehr zu den Gestaltungsmöglichkeiten und Erfahrungen aus bisherigen Projekten finden Sie im Faktenblatt der BAuA "Psychosomatische Sprechstunde im Betrieb (PSIB). Ein flexibles Angebot für Beschäftigte"
Frühe Intervention am Arbeitsplatz (friaa)
Die Studie "Frühe Intervention am Arbeitsplatz (friaa)" ist ein Verbundprojekt der Universitäten und Kliniken aus Ulm, Düsseldorf, Hildesheim, Erlangen, Heidelberg, Günzburg, dem Reha-Zentrum Seehof in Teltow und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Beschäftigte mit psychischer Beeinträchtigung können dabei niederschwellig und zeitnah Unterstützung und Behandlung erfahren. Begleitend wird die Wirksamkeit des Angebots untersucht. Dies erfolgt mittels einer multizentrischen, randomisierten kontrollierten Studie sowie einer formativen qualitativen Evaluation, die die BAuA im hier genannten Projekt durchführt. Gefördert wird die Studie durch das BMBF.
Evaluation des Angebots einer psychosomatischen Sprechstunde in Betrieben in Niedersachsen
Die BAuA hat die Einführung einer psychosomatischen Sprechstunde bzw. eines präventiven Gesundheitscoachings in Betrieben in Niedersachsen begleitet und evaluiert. Im Vordergrund standen dabei die Wahrnehmung des Angebotes durch die Beschäftigten und die Betriebe.