Informationsintensive Arbeit und ihre Wirkung auf den Menschen
Die Digitalisierung hat unsere Arbeitswelt grundlegend verändert. Damit einhergehende Anforderungen an die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen haben Folgen für die Beanspruchung. Diese zu messen und zu bewerten ist Aufgabe unserer Forschung.
Negative bzw. beeinträchtigende Beanspruchungsfolgen zu vermeiden, ist Voraussetzung für die Gesundheit der Beschäftigten. Dafür ist es notwendig zu wissen, wie hoch die tatsächliche Beanspruchung durch die Arbeit ist. Unsere Forschung hat zum Ziel, die Beanspruchung im Zeitverlauf zu messen und zu bewerten, um Beanspruchungsspitzen zu erkennen.
Bestimmung psychischer Beanspruchung mit Hilfe neurophysiologischer Kennwerte
Zur Erfassung der psychischen Beanspruchung existieren verschiedene Methoden.
Methoden zur Bestimmung psychischer Beanspruchung
Die Methoden zur Bestimmung psychischer Beanspruchung lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen: subjektive und objektive Bewertungsverfahren. Bei den subjektiven Bewertungsverfahren kommen Fragebögen zum Einsatz, die das Beanspruchungserleben erheben. Zur objektiven Beanspruchungsermittlung lassen sich Verhaltensdaten und physiologische Kenngrößen erheben.
Entwicklung einer objektiven Methode zur Bestimmung psychischer Beanspruchung
Langjährige Forschung in den USA bei der Analyse des Elektroenzephalogramms (EEG), Ergebnisse aus zahlreichen EEG-Studien sowie eigene Vorarbeiten sind die Grundlage für die Entwicklung einer Methode zur kontinuierlichen Ermittlung der Beanspruchung anhand des EEGs. Die Ergebnisse zeigen, dass Variationen im Leistungsspektrum des EEGs im sogenannten θ- und α-Frequenzband (4-8 Hz; 8-12 Hz) mit Belastungsveränderungen einhergehen.
Unsere Untersuchungen fanden im abgeschirmten Labor der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin statt. Die 57 Probanden, die an der Untersuchung teilnahmen, bearbeiteten kognitive Aufgaben mit unterschiedlicher Komplexität. Dabei wurde ihre Gehirnaktivität aufgezeichnet.
Die Untersuchungen bestätigten die aus der Literatur allgemein bekannten Tendenzen, dass mit zunehmender Aufgabenschwierigkeit eine Erhöhung der Leistung des frontalen θ-Bandes und eine Abnahme der Leistung des parietalen α-Bandes einhergehen. Sie bilden die Basis für das eigene Vorgehen zur Entwicklung der neuen, objektiven Methode.
Die Beanspruchungsmessung auf Grundlage der Elektroenzephalographie hat einen Vorteil: Die Beanspruchung wird dort gemessen, wo die Informationsverarbeitung stattfindet, nämlich im Gehirn. Vorarbeiten zur Entwicklung einer Methode zur kontinuierlichen Beanspruchungsermittlung sind im Rahmen der Forschung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erfolgt.
Beanspruchungsmessung unter realitätsnahen Bedingungen
Die Beanspruchung mit Hilfe des EEGs zu messen, setzt eine störungsfreie Registrierung voraus. Nur so ist eine gute Signalqualität möglich. Von Bedeutung ist ebenfalls, nutzerfreundliche EEG-Messsysteme zu verwenden. Dafür ist es erforderlich, marktfähige Geräte in Bezug auf Gebrauchstauglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz zu prüfen.
Untersuchung der Gebrauchstauglichkeit mobiler EEG-Geräte
Im Rahmen ihres Forschungsvorhabens testet die BAuA sieben momentan auf dem Markt erhältliche EEG-Registrierungssysteme.
Überprüft werden dabei:
- die Applikationszeit der Elektroden
- der Lernaufwand für die Bedienung der Registrierungssysteme
- die mögliche Tragedauer und der Komfort der neuen EEG-Elektroden-Systeme
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Gestaltung der EEG-Headsets. Das heißt ihre Fähigkeit, sich verschiedenen Kopfformen anzupassen, um einen guten Kontakt der Elektroden zur Kopfoberfläche herzustellen. Das ist notwendig, um das EEG mit möglichst wenigen Artefakten abzuleiten.
Ziel der Untersuchungen ist, EEG-Registrierungssysteme zu identifizieren, die den Anwender am wenigsten beeinträchtigen. Gibt es weniger Nebeneffekte bei der EEG-Registrierung, stellt das eine gute Qualität der Ergebnisse sicher.
Validierung der Methode zur Beanspruchungsermittlung
Die Validierung der Methode zur Beanspruchungsermittlung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Lotsenassistenz des Instituts für Flugführung vom DLR Braunschweig. In einer interaktiven Simulation fokussiert sich dieses Projekt auf das Arrival Management, das heißt auf die Anflugkontrolle. Anfluglotsen sind dafür verantwortlich, dass Piloten festgelegte Flughöhen einhalten. Ferner sind sie dafür zuständig, dass Flugzeuge in einer passenden Rate zur Landung ansetzen.
Es gilt zu prüfen, in welchem Maße die von der BAuA entwickelte Methode zur kontinuierlichen Erfassung der Beanspruchung zuverlässig zwischen den unterschiedlichen, simulierten Belastungshöhebedingungen differenzieren kann. Die Forscherinnen und Forscher nutzen bereits bekannte Vorschriften und Verordnungen der Fluglotsen, um bei der Methodentestung Belastungssituationen unterschiedlicher Höhen realitätsnah zu simulieren.
Für den praktischen Einsatz muss gezeigt werden, dass die neue Methode unterschiedliche Beanspruchungszustände zuverlässig und korrekt unterscheiden kann. Diese Methodenprüfung erfolgt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig.
Langfristig soll die Methode eingesetzt werden, um die psychische Beanspruchung bei informationsintensiver Arbeitstätigkeit kontinuierlich zu erfassen.