Der Weg von der Behandlung bis zur Rückkehr in den Betrieb
Je länger Menschen infolge einer Erkrankung ausfallen, desto schwieriger gestaltet sich die Rückkehr in den Betrieb. Ein vernetzter RTW-Prozess zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Akteuren trägt dazu bei, dass Menschen rechtzeitig und nachhaltig zur Arbeit zurückkehren.
Die neue Ausgabe der baua: Aktuell gibt in ihrem Schwerpunkt Einblicke in die Arbeiten der BAuA bei der konkreten Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in Deutschland. Neben der Verbreitung und Nutzung von BEM-Angeboten spielt auch die Gestaltung des Wiedereingliederungsprozesses eine wichtige Rolle. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der BAuA liegt auf den spezifischen Bedingungen der Wiedereingliederung nach psychischen Krisen und Erkrankungen.
baua: Aktuell - Ausgabe 2/2023
RTW steht für Strukturen, Maßnahmen und Aktivitäten, die eine rechtzeitige Rückkehr zur Arbeit nach einer längeren Erkrankung ermöglichen. Dieser Prozess beginnt im besten Fall schon während der Erkrankung und geht über die betriebliche Wiedereingliederung (BEM) hinaus. In vielen Fällen ist die Rückkehr mit einer Stufenweisen Wiedereingliederung hilfreich.
Im Mittelpunkt eines umfassenden RTW-Prozesses stehen die zurückkehrenden Beschäftigten. Der Prozess ist ein verständigungsorientierter Dialog zwischen den Zurückkehrenden, den betrieblichen Schlüsselakteuren, den behandelnden Ärzten und ggf. Therapeuten.
Zentrale Ziele eines abgestimmten RTW-Prozesses sind:
- günstigere Krankheitsverläufe und
- eine nachhaltige Rückkehr.
Aus der Perspektive der Zurückkehrenden ist der RTW-Prozess ein wesentlicher Aspekt der Krankheitsbewältigung. Betrieblich gesehen ist er ein Verständigungsprozess über die Bedingungen der Rückkehr, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und gleichfalls ein Prozess der Organisationsentwicklung.
Vor allem die soziale Unterstützung durch Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzte ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Wiedereingliederung.
Viele Hilfreiche Informationen für die betriebliche Praxis bietet die unten verlinkte baua:Praxis-Broschüre "Die Rückkehr gemeinsam gestalten" einschließlich vertiefenender Faktenblätter.
Das BEM als gesetzliche Pflicht und wesentliches Element einer nachhaltigen Rückkehr in den Betrieb
Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet, länger erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Für die Beschäftigten ist das BEM freiwillig. Das BEM dient dem Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit. Gesetzlich verankert ist das BEM in § 167 Abs. 2 SGB IX. Dort ist festgelegt, dass ein Arbeitgeber allen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein BEM anzubieten hat. Hier gibt es seitens der Betriebe noch Nachholbedarf. Obwohl das Angebot eines BEM für Arbeitgeber gesetzlich verpflichtend ist, wird es weniger als der Hälfte aller potenziell berechtigten Beschäftigten angeboten. Die Inanspruchnahme liegt allerdings bei fast 70 %, was zeigt, dass ein Bedarf bei den Beschäftigten vorhanden ist (vgl. BIBB/BAuA Faktenblatt 37: Umsetzung des BEM).
Betriebliches Eingliederungsmanagement als systemisch orientierter Prozess
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist sowohl individuelles Fallmanagement als auch Team- und Organisationsentwicklung. Ziel des BEM ist der Erhalt der Gesundheit und der bestmöglichen Arbeitsfähigkeit. Es trägt dazu bei:
- eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden,
- erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und
- die Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten und zu fördern.
Ein systemisch orientiertes BEM agiert dabei auf vier Ebenen der Arbeitsfähigkeit:
- auf der medizinischen Ebene mit Blick auf den Erhalt der Leistungsfähigkeit,
- auf der psychischen Ebene mit Blick auf die Motivation und Selbstwirksamkeit,
- auf der sozialen Ebene mit Blick auf die Unterstützung durch professionelle Helfer, direkte Vorgesetzte und Kollegen, sowie
- auf der betrieblichen Ebene mit Blick auf die Entwicklung von Unterstützungsstrukturen und die Gestaltung von Arbeitsanforderungen bzw. -bedingungen.
Ein entsprechend organisierter BEM-Prozess ermöglicht es darüber hinaus, Früherkennung und Rehabilitation miteinander zu verknüpfen - insbesondere dann, wenn man im Falle wiederholter Arbeitsunfähigkeit frühzeitig (über-)betriebliche Unterstützung organisiert. Außerdem können die Erfahrungen aus dem BEM zur Vorbeugung chronischer Erkrankungen genutzt werden.
Ablauf eines BEM-Prozesses
Um ein Betriebliches Eingliederungsmanagement erfolgreich durchführen zu können, empfiehlt es sich, systematisch vorzugehen. Folgende Schritte sind dabei zu berücksichtigen:
Beispielhafter Ablauf des BEM-Verfahrens
- Feststellung der Arbeitsunfähigkeit > 6 Wochen innerhalb der letzten 12 Monate
- Anschreiben mit Einladung zum Erstgespräch
- BEM-Gespräche
- Maßnahmenumsetzung
- Abschlussgespräch und Reflexion
- Optional: Nachhaltigkeitsgespräch
Das Vier-Phasen-Modell der Wiedereingliederung – systemisch und systematisch
Das Vier-Phasen-Modell der Wiedereingliederung wurde für den RTW-Prozess nach psychischen Krisen entwickelt, gibt aber auch darüber hinaus gute Anregungen. Es bildet einen klar strukturierten Prozess für eine nachhaltige Rückkehr in den Betrieb. Die ersten beiden Phasen bereiten die Rückkehr in den Betrieb vor. Phase 1 (Ko-Orientierung) veranschaulicht den Aufbau einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung und den lösungsorientierten Dialog über erforderliche Maßnahmen und Ressourcen für die anstehende Rückkehr. Mit der betrieblichen Vorbereitung und Abstimmung dieser Maßnahmen und Ressourcen befasst sich Phase 2 (Koordinierung). In den weiteren Phasen geht es um die Rückkehr in den Betrieb und die Umsetzung der vorbereiteten Maßnahmen. Phase 3 (Kooperation) beschreibt die Rückkehr sowie die laufende Überprüfung und Anpassung der Maßnahmen und Ressourcen während der Wiedereingliederung. Phase 4 (Erneute Ko-Orientierung) nimmt die nachhaltige Sicherung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit in den Blick.