Schritt für Schritt zum Erfolg
Die korrekte Einstufung und Kennzeichnung von Gemischen ist eine Aufgabe, die Sorgfalt und Detailkenntnisse des Regelwerkes erfordert. Wenn in Ihrem Betrieb Gemische hergestellt werden, entweder zur direkten Verwendung oder um sie an Dritte abzugeben, sind Sie für die korrekte Einstufung und Kennzeichnung dieser Gemische zuständig.
Die folgende Handlungsanleitung führt Sie schrittweise an diese Aufgabe heran und unterstützt Sie bei Ihren betrieblichen Verpflichtungen.
1. Beschaffen Sie sich alle Informationen
Als Voraussetzung zur Anwendung der CLP-Verordnung muss die Zusammensetzung eines Gemisches so genau wie möglich bekannt sein. Erstellen Sie für jedes Gemisch, das eingestuft werden soll, eine Liste aller Inhaltsstoffe, einschließlich Verunreinigungen und Additive. Gefährliche Eigenschaften der Inhaltsstoffe werden für ein Gemisch in der Regel ab Konzentrationen ≥ 0,1 % bzw. 1 % (je nach Einstufung) bedeutsam. In Einzelfällen, wenn es um besonders schwerwiegende Eigenschaften geht, sind auch noch niedrigere Konzentrationen zu beachten.
Die Liste zur Zusammensetzung sollte enthalten:
- Identität der Inhaltsstoffe,
- ihre jeweilige Konzentration im Gemisch,
- die Einstufung der Stoffe nach CLP,
- die zugehörigen H-Sätze und EUH-Sätze,
- spezifische Konzentrationsgrenzwerte, ATE-Werte und M-Faktoren, falls vorhanden.
Als wichtigste Informationsquellen dienen die Sicherheitsdatenblätter (SDB). Wenn Sie ein neues Gemisch herstellen, sollten Ihnen die Sicherheitsdatenblätter (SDB) der Inhaltsstoffe direkt zur Verfügung stehen. Falls Sie das Gemisch importieren und auf den europäischen Markt einführen, wird die Informationsbeschaffung schwieriger, aber auch ein SDB nach anderen Standards kann Ihnen als Ausgangspunkt für eigene Nachforschungen zu den Inhaltsstoffen und deren Eigenschaften dienen. Nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Lieferanten auf, wenn Sie weitere Informationen benötigen und stellen Sie sicher, dass Ihre Bestandsaufnahme vollständig ist.
- das bisherige SDB des Gemisches (falls vorhanden)
- die SDB der einzelnen Inhaltsstoffe,
- die Datensammlung der ECHA unter Registrierte Stoffe,
- das Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis (E&K-Verzeichnis),
- Datenbank Gefahrgut der BAM,
- Chemikalieninformationssystem des Bundes und der Länder (ChemInfo),
- GESTIS-Stoffdatenbank des Institutes für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV),
- eChemPortal bei der OECD
2. Überprüfen Sie die Informationen
Finden Sie heraus, welche Eigenschaften der Inhaltsstoffe sich auf die Einstufung Ihres Gemisches auswirken können. Unterscheiden Sie nach Gesundheits-, Umwelt- und physikalischen Gefahren.
Stellen Sie sicher, dass Sie über alle Informationen verfügen, die Sie zu einer korrekten und umfassenden Einstufung des Gemisches entsprechend der Kriterien im Anhang I der CLP-Verordnung benötigen. Liegen Testdaten zu dem Gemisch selbst vor, oder müssen Sie auf die Ergebnisse zu den Inhaltsstoffen zurückgreifen? Passen die Informationen zusammen oder werfen sie Fragen auf?
Überprüfen Sie unbedingt inwieweit zu den Inhaltsstoffen Ihres Gemisches eine harmonisierte Einstufung (auch "Legaleinstufung" genannt) vorliegt und stellen Sie gegebenenfalls sicher, dass diese korrekt auf das Gemisch übertragen wurden. Einschlägige Stoffinformationen finden Sie in der Datenbank der ECHA. Von einem sogenannten "brief profile" zu den einzelnen Stoffe können Sie per Link das E&K-Verzeichnis (Notified C&L) erreichen. Sie finden die harmonisierte Einstufung im oberen, hellblauen Abschnitt. Angaben und Bestimmungen aus diesem Bereich sind unmittelbar auf Ihr Gemisch anzuwenden.
Prüfen Sie außerdem mit Hilfe des gelben Bereiches im E&K-Verzeichnis, ob weitere Gefahrenkategorien zu beachten sind, die nicht harmonisiert wurden. Berücksichtigen Sie dabei, dass diese Einträge auf Meldungen von Herstellern oder Importeuren zurückgehen und weder überprüft noch abgestimmt sind. Diese Einträge können also durchaus Fragen aufwerfen. Mehr Informationen finden Sie zu sogenannten "joint entries" für die es meist ein Registrierungsdossier gibt, das dann auch einschlägige Testdaten enthält. Diese sind im "brief profile" unter "Regulatory context" registrations under REACH" bei der ECHA zu finden.
Die Bewertung der verfügbaren Informationen kann bei Gemischen eine anspruchsvolle Aufgabe sein, insbesondere, wenn sich die Kriterien nicht direkt auf die vorhandenen Daten anwenden lassen. Möglicherweise haben Sie ja in ihrer Produktpalette ähnliche Gemische, z. B. als Extrakte von Naturstoffen, auf deren Daten Sie sich beziehen wollen? Dieses Verfahren wird "Bridging" genannt. Für alle Grenzfälle benötigen Sie einen evidenzbasierten Ansatz, der Expertenwissen erfordert. Sorgen Sie deshalb für die nötige professionelle Unterstützung!
3. Bewerten Sie die Daten
Die Bewertung der physikalischen Gefahren stützt sich in der Regel auf Testdaten, die an dem Gemisch selbst erhoben wurden. Nur in wenigen Fällen, vorrangig bei Gasen, gibt es Rechenverfahren. Für ganz offensichtliche Fragen (z. B. Entzündbarkeit wässriger Gemische) kann möglicherweise auf Basis der Zusammensetzung entschieden werden, ob ein Test überhaupt notwendig ist. Einige Studienanforderungen haben sich mit der CLP-Verordnung verändert, so dass die entsprechenden Tests nun neu durchgeführt werden müssen. Mit etwas Mühe kann eventuell ein Blick auf die Hintergründe einer Transporteinstufung weiterhelfen. Stellen Sie sicher, über alle relevanten Studienergebnisse zu verfügen.
Für die Einstufung bezüglich der Gesundheitsgefahren sind Studien mit dem Gemisch zwar wertvoll, aber eher selten. Hier sind besonders alle Ergebnisse zu den Inhaltsstoffen von Belang. Tragen Sie sorgfältig alle Fakten zusammen, am besten anhand der Kapitel in Teil 3 des Anhang I der CLP-VO, um nicht den Überblick zu verlieren. Wichtig: dokumentieren Sie Ihr Vorgehen! Falls die Informationen in den SDBs nicht ausreichen, sollten Sie in einschlägigen öffentlichen Datenbanken und bei der ECHA nach weiteren Fakten recherchieren. Nutzen Sie Expertenwissen zur Auswertung der vorhandenen Daten insbesondere, wenn sie Lücken haben. Weitere Studien durchzuführen kommt aus Tierschutzgründen nicht in Frage.
Die Umweltgefahren werden durch die akute und chronische aquatische Toxizität sowie neuerdings auch durch die endokrinen (hormonwirksamen) Eigenschaften für die Umwelt, die persistenten, bioakkumulativen und toxischen (PBT) oder sehr persistenten, sehr bioakkumulativen (vPvB) Eigenschaften und die persistenten, mobilen und toxischen (PMT) oder sehr persistenten, sehr mobilen (vPvM) Eigenschaften beschrieben. Die Bewertung der aquatischen Toxizität stützt sich auf die Testergebnisse der Inhaltsstoffe, die für die Beurteilung langfristiger Wirkungen durch Daten zu Bioabbaubarkeit und Akkumulationspotential ergänzt werden. Sogenannte Multiplikationsfaktoren (M-Faktoren) geben Inhaltsstoffen mit besonders hoher aquatischer Toxizität bei der Einstufung ein entsprechend größeres Gewicht. Wenn die Datenlage zur aquatischen Toxizität dünn ist, kann vielleicht die Registrierungsdatenbank der ECHA weiterhelfen. Ansonsten sollten Sie nicht zögern, ihren Lieferanten zu kontaktieren.
Zusätzlich kann es noch weitere Gefahren geben, die Sie berücksichtigen müssen. So führt ein Inhaltsstoff, der schädigend für die Ozonschicht ist, ab einem Gehalt von 0,1 % zur Einstufung des Gemisches (siehe Teil 5 in Anhang I der CLP-VO). Es kann auch eine Kennzeichnung mit sogenannten EUH-Hinweisen erforderlich werden, wenn Ihr Gemisch z. B. in Kontakt mit Wasser giftige Gase freigesetzt oder ein bestimmter Bleigehalt überschritten ist. Details dazu lassen sich im Anhang II Teil 1 und 2 der CLP-VO nachlesen. Achten Sie darauf, keine Aspekte mit Bedeutung für Ihr Gemisch zu übersehen.
4. Einstufungs- und Kennzeichnung Ihres Gemisches
Wenn zu dem Gemisch selbst oder einem vergleichbaren Gemisch eine einschlägige Studie vorliegt, wird das Ergebnis mit den Kriterien im Anhang I der CLP-VO verglichen und damit die Einstufung festgelegt. Dies trifft auf die physikalischen Gefahren zu. Bei Gesundheits- und Umweltgefahren wird meistens der Gehalt einzelner Inhaltsstoffe mit einem sogenannten Konzentrationsgrenzwert verglichen, der als Schwellenwert für die Einstufung des Gemisches dient. Die zu den verschiedenen Gefahrenklassen oder -kategorien gehörigen allgemeinen Konzentrationsgrenzwerte (sog. GCL) sind in den einschlägigen Kapiteln im Anhang I Teil 3, 4 und 5 genannt. Für Stoffe mit einer harmonisierten Einstufung kann es stattdessen spezifische Konzentrationsgrenzwerte geben, sogenannte „SCL“, die im Anhang VI Teil 3 der CLP-Verordnung zusammen mit dem jeweiligen Stoffeintrag aufgeführt sind. SCL werden auch im E&K-Verzeichnis angegeben.
Für Gesundheits- und Umweltgefahren können die Inhaltsstoffe in einem Gemisch entweder zusammengerechnet werden, oder jeder Inhaltsstoff wird einzeln berücksichtigt. Ein additiver Ansatz wird gewählt, wenn die Summe aller Inhaltsstoffe, die eine bestimmte Eigenschaft haben, für die Einstufung entscheidend ist. Unterschiedliche Wirkungsstärken der Inhaltsstoffe werden dabei in der Regel durch eine gewichtete Berechnung berücksichtigt. Typische Beispiele für Additivität sind akute Toxizität, Reizwirkung oder aquatische Toxizität. Im Gegensatz dazu wird für Sensibilisierung, Karzinogenität, endokrine Disruption mit Wirkung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, PBT- oder vPvB-, bzw. PMT- oder vPvM-Eigenschaften, der Gehalt eines bestimmten Inhaltsstoffes direkt mit dem einschlägigen Schwellenwert abgeglichen ohne andere Stoffe mit derselben Eigenschaft einzubeziehen. Diese Gefahrenklassen sind daher Beispiele für Nicht-Additivität.
Bitte beachten Sie: Einige Bewertungsverfahren wurden mit der CLP-Verordnung gegenüber der ehemaligen Zubereitungs-Richtlinie modifiziert. Das kann die Einstufung eines Gemisches ändern, obwohl die Datenlage gleichgeblieben ist. Andere Bewertungsverfahren haben sogar keine Entsprechungen nach dem alten System. Das heißt, für die Einstufung des Gemischs nach CLP ist ein Rückblick auf das alte System nicht möglich. Um den Überblick zu behalten, sollten Sie die Bewertung systematisch aufbauen, am besten entlang der einschlägigen Kapitel im Anhang I der CLP-Verordnung. Konkrete und kompetente Unterstützung bietet die ECHA-Leitlinie zur Anwendung der CLP-Kriterien (Guidance on the Application of the CLP Criteria), die regelmäßig aktualisiert wird.
Wenn Sie sich bezüglich der Einstufung Ihres Gemisches entschieden haben, müssen Sie noch die Kennzeichnung festlegen. Diese umfasst
- Angaben zum Lieferanten
- Produktidentifikator
- Nennmenge (in der Verpackung, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird)
- Gefährliche Inhaltsstoffe
- Gefahrenpiktogramme
- Signalwort
- Gefahrenhinweise (einschließlich EUH-Hinweise)
- i.d.R. nicht mehr als sechs Sicherheitshinweise.
Die Regelungen zur Gestaltung des Etiketts sind sehr detailliert und betreffen Vorgaben bezüglich der Größe des Etiketts und der Piktogramme, den Wortlaut für H- und P-Sätze und vieles mehr. Ergänzende Erläuterungen finden Sie unter Kennzeichnungselemente sowie in der ECHA-Leitlinie Kennzeichnung und Verpackung "Guidance on Labelling and Packaging".
In einem letzten Schritt müssen Sie nun noch Ihr Sicherheitsdatenblatt auf die neue Einstufung und Kennzeichnung des Gemisches ausrichten. Ergibt sich eine Änderung? Dann sollten Sie Ihre Kunden darüber informieren! Eine Hilfestellung, worauf Sie im Zusammenhang mit dem SDB besonders achten sollten, gibt die ECHA-Leitlinie zur Erstellung von Sicherheitsdatenblättern.
5. Bleiben Sie immer auf dem aktuellsten Stand
Die Möglichkeiten, einschlägige Informationen zur Einstufung zu erhalten und zu nutzen, haben als Ergebnis der REACH-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) erheblich zugenommen und ständig kommen noch neue Daten dazu. Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Stoffen können sich auf die harmonisierte Einstufung auswirken und damit unmittelbar Einfluss auf die Einstufung Ihres Gemisches haben. Aber auch das Regelwerk kann sich weiter ändern, insbesondere können die Einstufungskriterien an den technischen Fortschritt angepasst werden. Nicht zuletzt können auch in der Lieferkette Veränderungen in der Zusammensetzung von Stoffen oder Gemischen vorgenommen werden.
Es ist daher erforderlich, regelmäßig zu überprüfen, ob eine Änderung erfolgt ist, die Auswirkung auf Einstufung und Kennzeichnung Ihres Gemisches hat. Legen Sie sich dazu einen Fahrplan zurecht und halten Sie an ihm fest. So können Sie sicherstellen, bei Einstufung und Kennzeichnung aktuell zu bleiben und auf neue Entwicklungen schnell zu reagieren.
Eine Checkliste für die Einstufung / Umstufung und Kennzeichnung von Gemischen steht unten zum Download bereit.