Alkalische und saure Reserve

Die Bestimmung der sauren/alkalischen Reserve ist Teil der Einstufungskriterien für die Gefahrenklassen "Ätz-/Reizwirkung auf die Haut" und "Schwere Augen­schädigung/Augenreizung" im UN-GHS und in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung).

Ein Gemisch gilt als hautätzend der Kategorie 1 (Skin Corr. 1, H314) oder als schwer augenschädigend der Kategorie 1 (Eye Dam. 1, H318), wenn es einen extremen pH-Wert von ≤ 2 oder ≥ 11,5 aufweist.
Die physiologische Wirkung saurer oder alkalischer Lösungen wird jedoch nicht allein durch den pH-Wert, sondern auch durch deren Pufferkapazität bestimmt. Das heißt, je höher die Pufferkapazität einer sauren oder alkalischen Mischung (angezeigt durch die saure bzw. alkalische Reserve), desto stärker ist die korrosive Wirkung. Niedrigere Werte der sauren/alkalischen Reserve weisen hingegen auf eine geringe Pufferkapazität hin und legen nahe, dass das Gemisch keine korrosiven Eigenschaften aufweist (Guidance on the Application of the CLP Criteria, Version 5.0 – July 2017, 288ff).

Wenn jedoch die Berücksichtigung der sauren/alkalischen Reserve darauf schließen lässt, dass der Stoff trotz des niedrigen oder hohen pH-Werts möglicherweise nicht ätzend ist, muss dies durch andere Daten bestätigt werden, vorzugsweise durch Daten aus einem geeigneten validierten In-vitro-Test (s. Anhang I Teil 2 Nr. 3.2.3.1.2. und Nr. 3.3.3.1.2. der CLP-Verordnung).

Praktische Durchführung der Bestimmung der alkalischen, bzw. sauren Reserve

Die Bestimmung der sauren/alkalischen Reserve nach Young et al. erfolgt durch Titration des zu prüfenden Gemisches mit einer Natronlauge oder Schwefelsäure. Feststoffe und nichtwässrige Flüssigkeiten werden in zehnprozentiger wässriger Lösung oder Suspension titriert. Wässrige Flüssigkeiten werden unverdünnt titriert.

  1. Alkalische Reserve:

    Es wird die Menge (g) NaOH Äquivalent zur Menge (g) H2SO4 / 100 g alkalischer 10%iger Lösung/Aufschwemmung bzw. unverdünnter Flüssigkeit bestimmt, die zur Erreichung des pH 10 notwendig ist (Praxis: Titration mit 0,5 M H2SO4).
  2. Saure Reserve:

    Es wird die Menge (g) NaOH / 100 g saurer 10%iger Lösung/Aufschwemmung bzw. unverdünnter Flüssigkeit bestimmt, die zur Erreichung des pH 4 notwendig ist (Praxis: Titration mit 1 M NaOH).

Berechnung:

Titration einer 10%igen Lösung/Suspension von Feststoffen und nicht-wässrigen Flüssigkeiten:
Alkalische oder saure Reserve = Titrationsvolumen [ml] x 0,4

Titration der unverdünnten Flüssigkeiten:
Alkalische oder saure Reserve = Titrationsvolumen [ml] x 0,04

  • Ätzend:
    pH + 1/12 alkalische Reserve ≥ 14,5
  • Ätzend:
    pH – 1/12 saure Reserve ≤ -0,5

Wird ein Gemisch aufgrund der sauren/alkalischen Reserve trotz des niedrigen oder hohen pH-Werts für nicht ätzend gehalten, so ist dies durch weitere Prüfungen zu bestätigen, vorzugsweise durch eine geeignete validierte in vitro-Prüfung.

Geeignete In-vitro-Tests zur Bestimmung der Ätzwirkung, die unnötigen Tierversuche vermeiden, finden sich in der aktuellen konsolidierten Prüfverordnung (EG) Nr. 440/2008. Die Berücksichtigung der sauren/alkalischen Reserve allein kann nicht dazu dienen, Gemische von der Einstufung hinsichtlich der ätzenden/reizenden Wirkung auf die Haut oder schwerer Augenschädigung/Augenreizung auszunehmen.

Wenn entschieden wird, die Einstufung eines Gemischs ausschließlich auf die Berücksichtigung des extremen pH-Werts zu stützen, muss das Gemisch als hautätzend, Kategorie 1 (Skin Corr. 1, H314) und schwer augenschädigend, Kategorie 1 (Eye Dam. 1, H318) eingestuft werden.

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Erläuterung zur Methode von YOUNG et al. zur Bestimmung der sauren bzw. alkalischen Reserve

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