Erforschung möglicher Risiken bei Tätigkeiten mit Biostoffen
Die Fachgruppe "Biologische Arbeitsstoffe" forscht und entwickelt im Themenfeld Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, fördert den Wissenstransfer in die Praxis und berät die Politik. Feldstudien sind dabei ein wichtiges Bindeglied und Impulsgeber.
Die BAuA führt epidemiologische Studien durch, um Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz zu untersuchen.
Kompostierungsanlagen
1996 startete die weltweit erste Langzeitstudie in Kompostierungsanlagen. Ziel der Beobachtung war es, den Einfluss von Bioaerosolen auf die Gesundheit von aktuellen und ehemaligen Beschäftigten in Kompostierungsanlagen zu untersuchen – und das über einen Zeitraum von 12 bis 13 Jahren hinweg. Zusätzlich erfasste die Studie die Arbeitsschutzmaßnahmen in einzelnen Kompostierungsanlagen. Ein Ergebnis der Studie: Eine lang anhaltende Exposition gegenüber Bioaerosolen in Kompostieranlagen erhöht das Risiko von chronischem Husten und Schleimhautreizungen.
Lungenfunktionseinschränkungen oder Allergien gegen Schimmelpilze als Folge der teilweise hohen Belastung durch Bioaerosole konnte bei den untersuchten Kompostarbeitern nicht nachgewiesen werden. Die höchste Sensibilisierungsrate wiesen die ausgeschiedenen Beschäftigten auf. Dieser Befund lässt sich mit dem "Healthy-Worker-Survivor-Effect" erklären. Das bedeutet, dass Beschäftigte langfristig einen Beruf ausüben, wenn sie die beruflich bedingten Belastungen gesundheitlich gut vertragen.
Geflügelintensivtierhaltung
In der Geflügelproduktion führen Tätigkeiten mit direktem Tierkontakt zu hohen Belastungen durch luftgetragene Biostoffe. Die Folge: Eine hohe Prävalenz obstruktiver Atemwegserkrankungen.
Die Abnahme von Lungenfunktionswerten über die Arbeitsschicht ist ein reversibles Symptom, das mit der Zeit jedoch zu einer chronischen Obstruktion der Atemwege führen kann. Dieser Parameter erwies sich als präventiv nutzbar, um die Beanspruchung hoch belasteter Beschäftigter zu dokumentieren.
Keiner der derzeit üblichen, standardisierten Messparameter für luftgetragene Biostoffe zeigte eine Korrelation zu den Beanspruchungsreaktionen über verschiedene Arbeitsplätze. An belasteten Arbeitsplätzen jedoch korrelierten die Werte von einatembaren Staub (E-Staub) und Endotoxinen mit den Atemwegsbefunden. Sie waren damit mögliche Parameter zur Bestimmung der Wirksamkeit technischer Schutzmaßnahmen.
Mit den Beanspruchungsreaktionen der Beschäftigten als Basis ließen sich differenzierte Atemschutzmaßnahmen empfehlen:
- Lüftungstechnik für das manuelle Sortieren von Küken in Brütereien
- FFP2 Masken bei kurzzeitig belasteten Tätigkeiten mit mäßiger körperlicher Anstrengung wie das Einbringen von Einstreu in den Stall, das Impfen der Tiere und Reinigungsarbeiten
- Hinterlüftete Helme für körperlich anstrengende Tätigkeiten mit unmittelbarem Tierkontakt wie die Lebendtierannahme im Schlachthof und das Einfangen der Tiere
Die Wirksamkeit der hinterlüfteten Helme wurde mit dem Ausbleiben abnehmender Lungenfunktionswerte bestätigt. Ihre Akzeptanz war aufgrund des fehlenden Atemwegswiderstands besser als die der Masken.
Recycling
In den vergangenen Jahren hat die BAuA systematisch die Belastungen der Beschäftigten verschiedener Recyclingbranchen untersucht. In den Branchen Kunststoff-, Textil- und Papierrecycling bestimmten die Forscherinnen und Forscher neben den Expositionen gegenüber Gefahrstoffen auch die gegenüber Biostoffen durch umfangreiche Arbeitsplatzmessungen. In allen Recyclingbranchen sind die Beschäftigten durch luftgetragene Stäube belastet. Beim Recycling von Kunststoff-, Textil- und Papierabfällen ließen sich teilweise hohe Belastungen durch Biostoffe ermitteln. Für alle untersuchten Branchen hat die BAuA unter Beteiligung von Ländern, Berufsgenossenschaften und Verbänden Handlungsanleitungen zur guten Arbeitspraxis erstellt.
Biogasanlagen
Die Gewinnung erneuerbarer Energien ist eine moderne, sich rasch entwickelnde Wirtschaftsbranche. In einem aktuellen Projekt untersucht die BAuA die Exposition gegenüber Biostoffen bei der Gewinnung von Methan in dafür speziell entwickelten Biogasanlagen. Für eine Expositionsabschätzung gegenüber Biostoffen gewinnt unsere Arbeitsgruppe in einem aktuellen Forschungsprojekt repräsentative Daten.
Hähnchenmast- und Schweinemastanlagen
In einem gemeinsamen Projekt mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) hat die BAuA die Luft aus bis zu zehn Hähnchen- und Schweinemast-anlagen erstmals intensiv untersucht. Überwiegend handelt es sich bei den detektierten Bakterien um Vertreter der Risikogruppe 1, teilweise aber auch um Vertreter der Risikogruppe 2. Inwiefern diese Bakterien eine Bedeutung für die Bewertung der Bioaerosolexpositionen haben, wird nun der Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Die molekularbiologischen Untersuchungen bestätigen insgesamt, dass es sich in der Luft um sehr komplexe Gemische unterschiedlicher Bakterienspezies handelt. Über die Eigenschaften eines Großteils der in der Luft auftretenden Bakterienarten kann bislang keine Aussage getroffen werden, da ihre Detektion bislang nur auf der Basis molekularbiologischer Methoden gelungen ist.
Im Rahmen der Forschungsprojekte werden immer wieder Biostoffe isoliert, die zuvor wissenschaftlich noch nicht beschrieben wurden. Bei solchen Isolaten wird die Neubeschreibung angestrebt, so dass diese bei zukünftigen Einstufungsarbeiten berücksichtigt werden können.