Die Arbeitsstättenverordnung dient der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Adressat ist der Arbeitgeber, der dafür zu sorgen hat, dass von der Arbeitsstätte keine Gefährdung für die Beschäftigten ausgeht und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden.
Aktuelles
Die Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179) wurde zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes (Cannabisgesetz) vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109) geändert. Die geänderte Verordnung ist am 1. April 2024 in Kraft getreten.
Ziel der Arbeitsstättenverordnung
Die ArbStättV dient der Verhütung von Unfällen, welche sich aus einer mangelhaften Gestaltung der Arbeitsstätte ergeben können. Arbeitsunfälle sind zu einem erheblichen Teil auf die nicht ordnungsgemäße Beschaffenheit, Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten zurückzuführen, zum Beispiel Sturzunfälle auf schadhaften Fußböden und Treppen oder Transportunfälle auf ungeeigneten oder zu eng bemessenen Verkehrswegen. Aber auch schwere Unfälle durch das Zersplittern von Glaswänden oder Glaseinsätzen in Türen oder Erkrankungen durch gesundheitlich unzuträglichen Betriebslärm sollen vermieden werden. Des Weiteren dient die ArbStättV der gesunden und menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Hierzu sind vor allem die Forderungen nach gesundheitlich zuträglichen Arbeitsumgebungsbedingungen (Luft-, Klima- und Beleuchtungsverhältnisse) sowie nach einwandfreien Sanitärräumen (Toiletten-, Wasch- und Umkleideräume) und Sozialräumen (Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte) enthalten.
Die ArbStättV enthält Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG, welches die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die sonstigen verantwortlichen Personen zu treffen haben und wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben, um ihre jeweiligen Pflichten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, zu erfüllen (§ 18 ArbSchG). Anforderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Bauordnungsrecht der Länder, gelten vorrangig, soweit sie über die Anforderungen der ArbStättV hinausgehen (§ 3a Absatz 4 ArbStättV).
Die ArbStättV dient zudem der nationalen Umsetzung der EG‑Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG. Daneben wird auch die Richtlinie 92/58/EWG des Rates über Mindestvorschriften über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz durch einen gleitenden Verweis innerhalb der Arbeitsstättenverordnung umgesetzt. Außerdem erfolgt die Umsetzung des Anhanges IV Teil A und B der Richtlinie 92/57/EWG des Rates über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie der EU-Richtlinie 90/270/EWG des Rates über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten.
Inhalt der Arbeitsstättenverordnung
In der Verordnung werden die Mindestanforderungen der genannten EU-Richtlinien direkt umgesetzt. Dabei sind vor allem allgemeine Schutzziele anstelle konkreter Maßzahlen und Detailanforderungen vorgegeben. Dies verschafft dem Arbeitgeber mehr Freiheit bei seinen Entscheidungen zur Gestaltung und zum Betrieb der Arbeitsstätte. Die ArbStättV besteht aus insgesamt zehn Paragraphen und einem in sechs Abschnitte unterteilten Anhang mit Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten, die bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Absatz 1 zu berücksichtigen sind. Von besonderer Bedeutung ist, dass Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, deren besondere Belange im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigen müssen (§ 3a Absatz 2).
Der Paragraphenteil der Verordnung enthält außerdem - neben Vorschriften für die Gefährdungsbeurteilung (§ 3) und das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten (§§ 3a, 4) - auch Regelung für den Nichtraucherschutz (§ 5). Der § 6 regelt Inhalt und Durchführung der Unterweisung der Beschäftigten. Der § 9 enthält eine Aufzählung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, auf deren Grundlage die staatlichen Arbeitsschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen können. Die zuständige Behörde kann auf schriftlichen Antrag des Arbeitgebers Ausnahmen von den Vorschriften der ArbStättV einschließlich ihres Anhanges zulassen, wenn der Arbeitgeber andere, ebenso wirksame Maßnahmen trifft oder die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Härte führen würde. Dies muss mit dem Schutz der Beschäftigten vereinbar sein (§ 3a Absatz 3).
Im Abschnitt 1 des Anhangs der Verordnung werden allgemeine Anforderungen an die Beschaffenheit der Arbeitsstätte gestellt. Das betrifft unter anderem die Raumabmessungen, Fußböden, Dächer, Fenster, Türen und Verkehrswege sowie Fahrsteige, Laderampen und Steigleitern. Hier wird auch auf die Sicherheitskennzeichnung und die allgemeine Forderung nach einer der Nutzungsart entsprechenden Konstruktion und Festigkeit der Arbeitsstätte verwiesen. Maßnahmen zum Schutz vor besonderen Gefahren wie Absturz und Entstehungsbrände sowie die Vorgaben für Flucht- und Rettungswege sind im Abschnitt 2 des Anhangs enthalten. Der Abschnitt 3 des Anhangs regelt die wesentlichen Arbeitsbedingungen wie Bewegungsflächen, Anordnung und Ausstattung der Arbeitsplätze, die klimatischen Verhältnisse mit Raumtemperatur und Lüftung sowie die Beleuchtung und den Lärm. Der Abschnitt 4 des Anhangs beschreibt die Mindestanforderungen an das Einrichten und Betreiben von Sanitär- und Sozialräumen. Im Abschnitt 5 des Anhangs wird auf ergänzende Anforderungen für nicht allseits umschlossene und im Freien liegende Arbeitsstätten sowie für Baustellen eingegangen. Im letzten Abschnitt 6 des Anhangs sind Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen enthalten. Dieser Abschnitt wurde bei der Änderung der ArbStättV im November 2016 angefügt.
Anwendung und Vollzug der Arbeitsstättenverordnung
Die ArbStättV gilt für Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden oder Orte im Freien, soweit sich diese auf dem Gelände eines Betriebes oder einer Baustelle befinden und zur Nutzung als Arbeitsplätze vorgesehen sind. Dazu gehören insbesondere die Orte, zu denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit Zugang haben. Auch Flucht- und Verkehrswege, Lager‑, Maschinen- und Nebenräume, Sanitärräume, Kantinen, Pausen- und Bereitschaftsräume, Erste-Hilfe-Räume, Unterkünfte sowie Einrichtungen, die dem Betreiben der Arbeitsstätte dienen (z. B. Feuerlöscheinrichtungen, Beleuchtungsanlagen, raumlufttechnische Anlagen, Energieverteilungsanlagen, Türen und Tore, Laderampen, Steigleitern), zählen zum Anwendungsbereich der Verordnung.
Der Vollzug der Verordnung obliegt den staatlichen Arbeitsschutzaufsichtsbehörden (Gewerbeaufsichtsämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz). Mit der DGUV Vorschrift 1 "Unfallverhütungsvorschrift - Grundsätze der Prävention" haben auch die Unfallversicherungsträger die rechtliche Grundlage, mittels staatlicher Arbeitsschutzvorschriften ihren Präventionsauftrag zu erfüllen.
Ein wesentliches Hilfsmittel für die praktische Umsetzung der ArbStättV sind die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln - ASR), welche die Vorgaben der ArbStättV weiter konkretisieren. Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) steht dem BMAS beratend zur Seite und hat die Aufgabe, die Arbeitsstättenregeln zu ermitteln (§ 7 ArbStättV).
Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)
Die Technischen Regel für Arbeitsstätten (Arbeitsstättenregeln - ASR) konkretisieren als sogenannte untergesetzliche Regelungen, wie die in der ArbStättV gestellten allgemeinen Schutzziele und Anforderungen vom Arbeitgeber (Normadressat) erreicht werden können. Damit legen sie als möglichst konkrete Beschreibung den Maßstab für das verbindlich einzuhaltende Schutzniveau fest, welches hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten einzuhalten ist.
Darüber hinaus beschreiben die ASR beispielhaft betriebliche Maßnahmen/Lösungen zur Erreichung des festgelegten Schutzniveaus. Dabei sind die Maßnahmen so konkret wie nötig beschrieben, um eine branchenübergreifende, breite Anwendung unter den vielfältigen Bedingungen der betrieblichen Praxis zu ermöglichen, in kleinen/mittleren Betrieben ebenso wie in Großbetrieben.
Die ASR beruhen auf dem zum Zeitpunkt der Bekanntgabe aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene. Sie erleichtern dem Arbeitgeber - im Sinne einer praktischen Durchführungshilfe - die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der ArbStättV und die Festlegung der geeigneten Maßnahmen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten im Betrieb. Hält der Arbeitgeber die Vorgaben der ASR ein, kann er davon ausgehen, dass die in der ArbStättV gestellten Anforderungen diesbezüglich erfüllt sind (Vermutungswirkung). Allerdings löst nur die originäre Umsetzung der in den ASR beschriebenen Maßnahmen/Lösungen eine Vermutungswirkung aus. Damit wird dem Arbeitgeber die rechtssichere Umsetzung der ArbStättV im Sinne einer vorweggenommenen Wirksamkeitsprüfung erleichtert.
Eine Verpflichtung zur vollumfänglichen Anwendung der in den ASR enthaltenen Lösungen schreibt die ArbStättV jedoch nicht vor. Der Arbeitgeber kann eigenständig davon abweichen und andere geeignete Maßnahmen wählen, muss dabei aber die Schutzzielvorgaben der Arbeitsstättenverordnung einschließlich des in den ASR festgelegten Maßstabs für das Schutzniveau erfüllen. Das bedeutet, dass er die ermittelten Gefährdungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können, auf andere Weise so beseitigen oder verringern muss, dass dabei die gleiche Sicherheit und der gleiche Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten wie bei Anwendung der ASR erreicht wird ("Stand der Technik"). Dies muss gemäß § 3a Abs. 3 ArbStättV dokumentiert werden, ein gesonderter Antrag bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde ist dafür nicht notwendig.
Werden mit der Bekanntgabe von Arbeitsstättenregeln neue Maßstäbe wirksam (z. B. veränderte Maßzahlen oder andere Bestimmungen) und sind diese in bereits eingerichteten und betriebenen Arbeitsstätten nur mit umfangreichen Änderungen umsetzbar oder würde das im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen Härte führen, stellt sich die Frage des Bestandsschutzes. Bestandsschutz in Bezug auf die Vorgaben der ASR gibt es aus der Sicht des Arbeitsschutzes grundsätzlich nicht. Den Hintergrund dafür bildet das im Arbeitsschutzgesetz verankerte Minimierungsgebot für arbeitsbedingte Gefährdungen der Beschäftigten (ArbSchG § 4 Ziffer 1).
Die Prüfung, ob eine bestehende Arbeitsstätte bei neuen Regelungen in den ASR entsprechend angepasst werden muss oder ob sie auch weiterhin den rechtlichen Anforderungen entspricht, lässt sich für den Arbeitgeber durch eine Wiederholung der Gefährdungsbeurteilung ermitteln. Teilweise sind für diesen Fall in den ASR bereits zusätzlich andere gefährdungsbezogene Maßnahmen als nachrangige alternative Gestaltungslösungen beschrieben. Mitunter werden in den ASR auch Übergangsregelungen für bestehende Arbeitsstätten vorgesehen. Die nachrangigen alternativen Gestaltungslösungen sowie die Übergangsregelungen der ASR dürfen vom Arbeitgeber jedoch nur solange herangezogen werden, bis die bestehenden Arbeitsstätten wesentlich umgebaut oder erweitert werden.
Sämtliche Arbeitsstättenregeln stehen auf der Homepage der BAuA zum Download zur Verfügung und können in zusammengefasster Form auch als Printausgabe Fachbuch "Arbeitsstätten - Arbeitsstättenverordnung - Technische Regeln für Arbeitsstätten" bezogen werden.