Aktuelle Forschung zu Pflege und Digitalisierung

Virtuelle Pausenräume, intelligente Pflegebetten, digitale Dienstplangestaltung oder Desinfektionsroboter: Zahlreiche Projekte erkunden derzeit den Einsatz neuer Technologien in der Pflege. Forscherinnen der BAuA haben 30 dieser Projekte zur Digitalisierung pflegerischer Arbeitsprozesse und deren Anwendungsgebiete analysiert.

Digitale Technologien im Pflegebereich wecken Hoffnungen bei Pflegenden und Einrichtungen: Richtig eingesetzt, könnten diese z. B. durch eine intelligente Pflegedokumentation oder den digitalen Datenaustausch mit Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsalltag erleichtern und dafür sorgen, dass mehr Zeit für die zwischenmenschliche Zuwendung zu den Klienten bleibt. Damit daran anknüpfende Erwartungen erfüllt werden können, müssen sich die Auswahl, Entwicklung und Implementierung der Technologien an den Bedarfen der Pflegenden und Einrichtungen orientieren ("Demand Pull") – und nicht an ökonomischen Interessen und/oder dem Machbaren ("Technology Push").

Im BAuA-Forschungsprojekt F 2503 wurden daher 30 Projekte aus dem Bereich Pflege und Digitalisierung analysiert, die

  • im Zeitraum Januar 2016 bis März 2020 begonnen haben,
  • professionell Pflegende als Zielgruppe benennen und
  • auf die Entwicklung oder Erprobung neuer Technologien für die Pflege fokussieren.

Unter Übersicht: Forschungsprojekte zu Pflege und Digitalisierung finden Sie eine detaillierte Übersicht der analysierten Projekte inklusive Links zu den Projektwebseiten.

Die ausgewählten Projekte wurden danach betrachtet,

  • für welche Zielgruppen welche Technologien erprobt werden,
  • welche Ziele mit dem Technologieeinsatz verfolgt werden,
  • inwiefern Pflegende in die Projektarbeit einbezogen sind,
  • inwieweit die Technikauswahl einem nachgewiesenen Bedarf folgt und
  • ob die Verbesserung der arbeitsbezogenen Gesundheit der Pflegenden in den Zielbeschreibungen der Projekte eine Rolle spielt.

Die Ergebnisse der Analyse können Sie den folgenden Infografiken entnehmen. Einen hochauflösenden Download der kompletten Infografik in einem Bild finden Sie weiter unten auf der Seite.

1. Zielgruppe

In welcher Pflegeform sollen die Technologien eingesetzt werden?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Die drei pflegerischen Versorgungsbereiche – stationäre Altenpflege, stationäre Krankenpflege und ambulante Pflege – sind in den Förderprojekten annähernd gleich häufig vertreten.

2. Technologieeinsatz

Zu welchen digitalen Pflegetechnologien forschen die Projekte?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Nur 20 % der untersuchten Projekte forschen zu Robotik – und kein einziges entwickelt humanoide Modelle. Vielmehr erprob(t)en 30 bzw. 40 % der Projekte physische bzw. kognitive Assistenzsysteme und 37 % Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese Technologien sollen Pflegende unterstützen, ohne sie zu ersetzen.

3. Ziel des Technologieeinsatzes

Was soll mit dem Technologieeinsatz verbessert werden?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Aufgrund des starken finanziellen Drucks, dem Krankenhäuser, stationäre Altenpflegeeinrichtungen und ambulante Dienste ausgesetzt sind, wäre zu erwarten, dass Effizienzsteigerungen ein Hauptmotivator für den Technologieeinsatz darstellen. Entgegen dieser Annahme gab es jedoch kein einziges Projekt, in dem dies als primäres Ziel angegeben wurde. Die untersuchten Projekte tragen vielmehr dem Pflegestärkungsgesetz Rechnung: Überwiegend wollen sie die pflegerische Versorgung (50 %) und den pflegerischen Prozess (47 %) optimieren und/oder die arbeitsbedingte psychische Belastung (47 %) reduzieren.

4. Einbindung von Praxispartnerinnen und -partnern

Auf welche Weise sind Partnerinnen und Partner aus der Praxis in die Forschungsprojekte involviert?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Praxispartnerinnen und -partner aus der Pflege waren in allen Projekten eingebunden. In der Mehrzahl der Projekte betraf dies die Phase der Implementierung, d. h. die Technikerprobung direkt vor Ort. In gut einem Drittel der Projekte waren die Pflegenden schon bei der Entwicklung der Technologie beteiligt – und zwar insbesondere dann, wenn es das Ziel war, die physische Belastung zu optimieren.

5. Bedarfsanalyse

Folgt die Auswahl der Technologien in den Forschungsprojekten einem nachgewiesenen Bedarf?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Bei der Hälfte der Projekte erfolgten Anforderungsanalysen – vor allem bei jenen, die auf eine Optimierung arbeitsbedingter Belastung zielen. Die Anforderungsanalysen selbst wurden ganz unterschiedlich umgesetzt und reichten von Szenario-Workshops über Expertinnen- und Experteninterviews bis hin zu Methoden aus dem Design Thinking wie der Wall-Walk-Methode, bei der in einem iterativen, interdisziplinären Prozess Daten zusammengetragen und Ideen entwickelt werden. Ein Teil der Förderprojekte begründete die Technologiewahl ferner durch andere Indikatoren wie klinische Forschungsbefunde.

6. Gesundheit am Arbeitsplatz

Spielt in den Zielbeschreibungen die Verbesserung der arbeitsbezogenen Gesundheit der Pflegenden eine Rolle?

© Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Die Verbesserung der arbeitsbezogenen Gesundheit der Pflegenden wird von 30 % der Projekte in den Zielbeschreibungen genannt.

Fazit

Die untersuchten Projekte sind Wegbereiter für die Digitalisierung in der Pflege. Sie lassen erahnen, wie moderne Technologien die Pflegearbeit verändern könnten. Die Mehrheit der Projekte möchte die pflegerische Versorgung verbessern und den Arbeitsalltag erleichtern. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht ist hierfür entscheidend, inwiefern der Technologieeinsatz die menschengerechte Gestaltung von Arbeit unterstützt. Dafür ist eine Technikentwicklung und -implementierung erforderlich, die sich kontinuierlich an Bedarfen der pflegerischen Praxis orientiert und Pflegende einbezieht. Die Analyse tätigkeitsbezogener Anforderungen und die direkte Beteiligung Pflegender sind wichtige Schritte in diese Richtung.

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Infografik: Aktuelle Forschung zu Pflege und Digitalisierung

(PDF, 4 MB, Datei ist nicht barrierefrei)

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