- Projektnummer : F 2342
- Projektdurchführung : Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
- Status : Abgeschlossenes Projekt
Projektbeschreibung :
Auf die innerbetriebliche Gesundheits- und Sicherheitskultur haben Betriebsleitung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und die Arbeitnehmervertretung entscheidenden Einfluss. Denn sie prägen etwa die betriebliche Einschätzung zur Beherrschbarkeit von Gefahren, die Vorstellung davon, was die wirklich relevanten Gefährdungen sind und wie die "richtigen" Strategien aussehen, ihnen zu begegnen. Das BAuA-Forschungsprojekt "Begünstigende und hemmende Parameter der Umsetzung von Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bezogen auf Unternehmensmerkmale (F 2342)" hat ermittelt, welche dieser betriebsintern gültigen Orientierungen und Grundannahmen bei Fach- und Führungskräften vorherrschen.
Auf der Basis von 50 qualitativen (Gruppen)-Interviews mit betrieblichen Arbeitsschutz-Verantwortlichen, d.h. Inhabern und Führungskräften sowie Arbeitsschutz-Zuständigen (Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und Betriebsräte) hat das Projekt mit Hilfe der dokumentarischen Methode nach Bohnsack fünf typische Orientierungsmuster herausarbeitet, die als Formen von Präventionskultur beschrieben wurden. Die entsprechende Typologie stützt sich auf einen Merkmalsraum mit den Dimensionen "Gefährdungsrahmung", "Interaktionsfokus" und "Arbeitsschutzverständnis". Die konkreten Ausprägungen dieser Sinndimensionen können sich hemmend oder fördern auf die Ausgestaltung des Arbeitsschutzes auswirken.
"Gefährdungsrahmung" meint im Sinne eines Orientierungsrahmens die im Betrieb vorherrschenden Einschätzungen bzw. Imaginationen zur Beherrschbarkeit von Gefahren sowie die daraus sich ergebende Vorstellung, welcher Umgang mit Gefährdungen angemessen ist. Die Dimension "Interaktionsfokus" wurde in Anlehnung an die Systemtheorie nach Luhmann entwickelt, die davon ausgeht, dass zwei überlebenswichtige Aufgabenfelder von Organisationen in interner Integration (Werte, Normen, Kommunikation) sowie externer Adaption an Organisationsumwelten (Gesetze, Öffentlichkeit) bestehen. Die qualitativen Auswertungen ergaben, dass die jeweilige Schwerpunktsetzung zwischen diesen beiden Polen ebenfalls maßgeblich für die Ausgestaltung der Präventionskultur ist. Als dritte Dimension des Merkmalsraums wurde das "Arbeitsschutz-Verständnis" identifiziert.
Dieses gibt an, was im innerbetrieblichen Diskurs dem Themenfeld Arbeitsschutz zugerechnet wird: Denn es macht einen Unterschied, ob darunter überwiegend technische Maßnahmen und Herangehensweisen diskutiert werden, ob sich der Betrieb überwiegend auf das Verhalten der Beschäftigten fokussiert oder ob es sich um ein umfassendes Verständnis handelt, das sowohl technische, organisatorische als auch personenbezogene und informationelle Maßnahmen umfasst.
Die Ergebnisse dieser Typenbildung wurden mit Hilfe einer standardisierten Telefonbefragung unter 375 Betrieben validiert. Dazu wurden den Befragten Aussagen, die zum Teil aus den Interviews entlehnt wurden, vorgelesen und danach gefragt, inwieweit sie diesen Aussagen zustimmten. Die Zustimmungsmaße konnten dann mit Hilfe einer Faktorenanalyse in fünf Faktoren zusammengefasst werden. Diese reproduzieren weitestgehend die qualitativ entwickelte Typologie und ihren Merkmalsraum, so dass eine quantitative Abschätzung der Verteilung der Typen unter allen Betrieben in Deutschland möglich wurde. Ergebnis dieser Abschätzung ist, dass der Typus "die Fehlervermeider" mit 30 % am häufigsten vorkommt, gefolgt vom Typus "die Do-it-yourselfer" mit rund 21 %. Die drei weiteren Typen, d. h. "die Techniker", "die Systematiker" und "die Standardsetzer" machen jeweils zwischen 16 und 17 % der Stichprobe aus.
Ausgehend von der Faktorenanalyse wurde zudem ein "Schnell-Diagnose-Tool Präventionskultur" für Praktikerinnen und Praktiker entwickelt. Sowohl externe, als auch innerbetriebliche Präventionsexperten können es als erste Zuordnungshilfe des eigenen oder eines fremden Betriebs zu einem Präventionskultur-Typus verwenden.
Die Verschränkung qualitativer und quantitativer Analysen im Interesse anwendungsorientierter Ergebnisse weist das vorliegende Projekt als ein exploratives Mixed-Methods-Projekt aus.