Stand: 28.08.2020
Präambel
Der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten stellt in Zeiten der Pandemie besondere Anforderungen an die Betriebe. Für die Umsetzung der betrieblichen Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 gelten die Grundsätze des Arbeitsschutzes: Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird (§ 4 Arbeitsschutzgesetz). Auch für die umfassenden Präventionsmaßnahmen gegen eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 ("Corona-Virus") gilt: Verhältnisprävention vor Verhaltensprävention. Die Rangfolge von technischen über organisatorische bis hin zu personenbezogenen Schutzmaßnahmen (T-O-P-Prinzip) ist zu beachten.
Welche Maßnahmen konkret erforderlich sind, richtet sich nach den betrieblichen Gegebenheiten und wird in der Gefährdungsbeurteilung ermittelt und festgelegt. Infektionsschutz in Zeiten der Pandemie ist Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung. Die entsprechenden Schutzmaßnahmen sind aufgrund der hohen Infektionsgefahr unverzüglich zu ergreifen. Hierbei ist die Einhaltung von Mindeststandards und allgemeine Hygieneregeln zentral.
I. Verantwortung und Organisation
Die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung notwendiger Infektionsschutzmaßnahmen trägt der Arbeitgeber. Gleichzeitig sind die Beschäftigten verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers, für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen (§ 15 ArbSchG).
Der Arbeitgeber hat sich sinnvollerweise von den bestellten Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten zu lassen sowie mit den betrieblichen Interessenvertretungen unter Beachtung der Mitbestimmung abzustimmen (siehe AMR 3.2 "Arbeitsmedizinische Prävention").
Hat der Betrieb einen Arbeitsschutzausschuss, koordiniert dieser zeitnah die Umsetzung der zusätzlichen Infektionsschutz-Maßnahmen und unterstützt bei der Kontrolle ihrer Wirksamkeit. Alternativ kann auch ein Koordinations- / Krisenstab unter Leitung des Arbeitgebers oder einer nach § 13 ArbSchG / DGUV Vorschrift 1 beauftragten Person unter Mitwirkung von Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt eingerichtet werden (vgl. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard der Bundesregierung vom 16.04.2020, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 20. April 2020, GMBl. S. 303 ff.).
II. Aufgaben der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte
Für die Aufgaben der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte finden sich die Grundlagen im Arbeitsschutzgesetz sowie insbesondere im Arbeitssicherheitsgesetz (bzw. der DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit") und in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge mit den sie untersetzenden Regeln und Empfehlungen. Diese sind einzuhalten, insbesondere die Einsatzzeiten der Betriebsärzte/Betriebsärztinnen sind weiterhin für die Erfüllung der arbeitsmedizinischen Aufgaben sicher zu stellen. In der gegenwärtigen Situation bestehen für die Betriebsärztinnen und Betriebsärzte besondere Anforderungen und Herausforderungen. Sie sollen im Folgenden skizziert werden:
- Der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin berät den Arbeitgeber, die Beschäftigten sowie die betriebliche Interessenvertretung kontinuierlich auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Pandemie-Situation. Bezüglich der Pandemie schreibt das Infektionsschutzgesetz in § 15a (2) folgendes vor: "Personen, die über Tatsachen Auskunft geben können, die für die Überwachung von Bedeutung sind, sind verpflichtet, den mit der Überwachung beauftragten Personen auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte insbesondere über den Betrieb und den Betriebsablauf einschließlich dessen Kontrolle zu erteilen ...". Dies schließt auch die Betriebsärzte/Betriebsärztinnen in ihrem Zuständigkeitsbereich ein. Darüberhinausgehende Anfragen und Überwachungsaufgaben obliegen der jeweiligen Unternehmensleitung, die sich unterstützen lassen kann durch ihre Hygieneabteilungen, falls vorhanden, wie z. B. im Gesundheitswesen.
- Die Beratung durch den Betriebsarzt/ die Betriebsärztin erstreckt sich auf die Gefährdungsbeurteilung und alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten und ist nicht auf die personenbezogenen Maßnahmen begrenzt. Sie betrifft auch Fragen zum Schutz besonders schutzbedürftiger Beschäftigtengruppen (siehe AME). Vorrang vor allen anderen Maßnahmen hat die Verhältnisprävention (siehe I., Rangfolge der Schutzmaßnahmen).
- Bei der Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung, in der die besondere Gefahr aufgrund der Pandemiesituation berücksichtigt wird, sind auch die psychischen Belastungen und mobile Arbeiten (z. B. Home office) einzubeziehen.
- Dem Betriebsarzt oder der Betriebsärztin sind für die Durchführung der Aufgaben die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Das beinhaltet insbesondere die Möglichkeit zur Begehung der Arbeitsbereiche.
- Arbeitsmedizinische Fachexpertise unterstützt die Erarbeitung der Hygiene- und Reinigungspläne, die Nutzung von Sanitärräumen, und das Erstellen von Regeln für gemeinsam genutzte Geräte und Flächen.
- Bei der Information und Unterweisung der Beschäftigten, die aufgrund der aktuellen Gefährdungssituation zu aktualisieren ist, ist der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin einzubeziehen (siehe AMR 3.2 "Arbeitsmedizinische Prävention").
- Besonderes Augenmerk ist auf die Beratung zur richtigen Auswahl und Verwendung von Körperschutzmitteln wie beispielsweise Atemschutz einschließlich Mund-Nase-Bedeckung oder Reinigungs-/Desinfektionsmitteln zu legen.
- Beschäftigte können sich vom Betriebsarzt oder der Betriebsärztin jederzeit auch hinsichtlich der besonderen Gefährdung aufgrund der Pandemie individuell beraten lassen. Der Arbeitgeber hat arbeitsmedizinische Vorsorge zu ermöglichen beziehungsweise anzubieten. Dies erfolgt auf der Grundlage der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge; zur arbeitsmedizinischen Vorsorge siehe auch die konkreten Ausführungen im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard sowie in der Verlautbarung des Ausschusses für Arbeitsmedizin (AfAMed) auf der AfAMed-Homepage:
Betriebsärztliche Tätigkeit einschließlich arbeitsmedizinischer Vorsorge im Pandemiefall (20.03.2020) - Es ist eine Aufgabe des Betriebsarztes oder der Betriebsärztin, spezielle Schutzmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu empfehlen. Die Wahrung der Schweigepflicht, der Schutz der Gesundheitsdaten sowie die Beratung der betrieblichen Interessenvertretungen (Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung) sind dabei selbstverständlich.
- Der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin steht für die ärztliche Kommunikation mit den örtlichen Gesundheitsbehörden zur Verfügung, wobei betont werden sollte, dass es sich hierbei nur auf den Austausch von Informationen handelt und keine weiteren Maßnahmen (z. B. Durchführung von Tests) gemeint sind.
- Unabhängig davon sind die weiteren bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.