Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer (1945 bis 1990) - Rechtsvorschriften, Verfahrensweisen, statistische Angaben

Die vorliegende Sonderschrift der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin wurde mit dem Ziel konzipiert, Fakten und Daten zum Thema Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer für den Zeitraum von 1945 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands so umfassend wie gegenwärtig möglich zusammenzuführen und einem breiten Interessentenkreis zugänglich zu machen. Besonderer Wert wurde dabei auf die Darstellung von Rechtsvorschriften und von Empfehlungen zur Meldung und Begutachtung der Berufskrankheiten gelegt, deren Kenntnis für die Betrachtung des Berufskrankheitengeschehens unerläßlich ist. Waren nach dem zweiten Weltkrieg die ersten - als Befehle der sowjetischen Militäradministration in Deutschland erlassenen - Vorschriften über Berufskrankheiten noch an der Reichsversicherungsverordnung orientiert, so gab es im Sozialversicherungssystem frühzeitig gravierende Veränderungen. Nach sowjetischem Muster wurden Kranken-, Renten- und Unfallversicherung in einer Einheits-Sozialversicherung zusammengefaßt.

In der DDR zählten ebenso wie in der ehemaligen Sowjetunion Angaben über Berufskrankheiten grundsätzlich zu Informationen, denen ein gewisses systemgefährdendes Potential beigemessen wurde. Eine aussagefähige Berichterstattung über Berufskrankheiten wurde erst nach 1970 aufgebaut. Die detaillierten Jahresberichte wurden jedoch von der Regierung sehr bald als vertraulich eingestuft. Im Uranerzbergbau der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut waren Berufskrankheitendaten bis zur politischen Wende im November 1989 sogar Verschlußsache. Die Geheimhaltung arbeitsmedizinischer Probleme der SDAG Wismut verhinderte den öffentlichen wissenschaftlichen Meinungsstreit über das Lungenkrebsrisiko im Uranerzbergbau. Die Chancen für eine frühzeitige wissenschaftliche Klärung der Risikoverhältnisse hinsichtlich einer in Deutschland seit langer Zeit bekannten Berufskrankheit (als Schneeberger Lungenkrankheit bereits 1925 in der Liste der Berufskrankheiten verzeichnet) wurden nicht genutzt. Schwerwiegender waren die Folgen für die betroffenen Bergarbeiter. Seit 1965 allerdings hat das DDR-Gesundheitsministerium die in seiner Zuständigkeit erhobenen Eckdaten über Berufskrankheiten in den Jahrbüchern "Das Gesundheitswesen" veröffentlicht. Ebenso wie im Statistischen Jahrbuch der DDR fehlte aber der Hinweis, auf welche Wirtschaftsbereiche sich diese Daten bezogen. In der vorliegenden Sonderschrift muß darauf verwiesen werden, daß es im DDR-Berufskrankheitengeschehen auch im vierten Jahr des wiedervereinigten Deutschlands immer noch Bereiche gibt, die im Dunkeln liegen, z. B. berufsbedingte Erkrankungen bei Strafgefangenen.

Bei retrospektiver Betrachtung besteht kein Zweifel, daß die sowjetische Siegermacht mit ihrer Politik das Berufskrankheitengeschehen in Deutschland in einem erheblichen Ausmaß beeinflußt hat. Insbesondere der Aufbau eines großen atomaren Waffenarsenals führte zur exzessiven Ausbeutung der sächsisch-thüringischen Uranerzvorkommen, aus deren Hinterlassenschaft nicht nur gewaltige Umweltschäden, sondern auch der höchste Anteil einer Branche an der Verursachung von Berufskrankheiten insbesondere von Berufskrebs in Deutschland resultiert.

Die statistischen Angaben beschränken sich auf den Zeitraum 1958 bis 1990, für den - unter den vorgenannten Einschränkungen - zuverlässige Angaben vorliegen. Ein umfangreicher Tabellenanhang enthält Übersichten zu neu anerkannten Berufskrankheiten unter Einschluß des Uranerzbergbaus der SDAG Wismut sowie spezielle Aufgliederungen (für den Zeitraum ab 1973 bzw. 1982), z. B. nach Krankheitsdiagnosen (gemäß der Internationalen Klassifikation der Krankheiten - ICD, 9.Rev.), ursächlichen Schadfaktoren, Dauer der Belastung, Alter bei Anerkennung der Berufskrankheit, Höhe des Körperschadens.

Von besonderem Interesse dürften Ausführungen sein, die sich auf anerkannte Berufskrankheiten, die nicht einer Listennummer zugeordnet werden können (Berufskrankheiten im Sonderentscheidverfahren), auf die Arbeitsweise der Obergutachtenkommission Berufskrankheiten und auf die von ihr erarbeiteten Empfehlungen beziehen.

Aus dem dargestellten Berufskrankheitengeschehen geht aber auch hervor, daß es, wenn auch in bescheidenem Umfang, positive Entwicklungen im Arbeitsschutz gab. Ebenso kann nicht übersehen werden, daß sich viele Arbeitsmediziner und Sicherheitsfachkräfte unermüdlich für die Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts und des gesamten präventiven Sektors einsetzten. Mehr als in den alten Bundesländern hatten Betriebsärzte Mängel in der Primärprävention, die aus einem unzureichenden Erneuerungsgrad der Produktionsanlagen resultierten, durch Früherkennung berufsbedingter Gesundheitsstörungen sowie durch medizinische Interventionen und Arbeitseinsatzbeschränkungen abzumindern.

Unverkennbar stieg auch außerhalb der Betriebsmedizin das ärztliche Interesse an der Aufklärung von Berufskrankheiten. Die Mehrzahl der Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen kam aus der Versorgungsmedizin, bei beruflichen Lungenerkrankungen häufig aus pathologischen Instituten.

Für die neuen Bundesländer besteht heute die Chance, den wirtschaftlichen Strukturwandel mit den neuen Erkenntnissen des Arbeitsschutzes zu verbinden und dabei auch moderne Präventionskonzepte umzusetzen, von denen richtungweisende Signale ausgehen können.

Die vorliegende Dokumentation soll dazu beitragen, in Zukunft Fortschritte bei der Verhütung von Berufskrankheiten quantitativ und qualitativ bewerten zu können.

Bibliografische Angaben

Titel :  Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer (1945 bis 1990) - Rechtsvorschriften, Verfahrensweisen, statistische Angaben. 

Verfasst von:   Bräunlich, A.; Enderlein, G.; Heuchert, G.; Lorenz, A.; Stark, H.; Wulke, P.

1. Auflage .  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1994. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Sonderschrift , S 4)

ISBN: 3-929306-06-9, Seiten:  424, Preis : 29,00 EUR, Papier

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