Erkrankungen der Wirbelsäule bei körperlicher Schwerarbeit und Ganzkörperschwingungen

Auf mögliche Zusammenhänge zwischen bestimmten Berufsbelastungen und dem vermehrten Auftreten von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule wurde in Deutschland durch TELEKY (1934) bereits in der 30er Jahren verwiesen. Es waren wohl die arbeitsmedizinischen Erfahrungen des zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit, die schließlich im Jahre 1949 die deutschen Gewerbeärzte auf ihrer Herbsttagung in Heidelberg einstimmig zu der Empfehlung veranlaßten, "Erkrankungen der Bandscheiben" in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen (BAADER 1950). Während diese von BAADER unterstützte Empfehlung in Ostdeutschland schon 1950 realisiert wurde, setzte in Westdeutschland ein wissenschaftlicher Meinungsstreit ein, der zumindest im Fachgebiet Orthopädie bis zum heutigen Tag zu keinem Konsens geführt hat. Strittig sind weniger die Erkenntnisse über die pathophysiologischen und biomechanischen Grundlagen und die Rolle von arbeitsbedingten Fehlbelastungen im multifaktoriellen Ursachenspektrum bandscheibenbedingter Erkrankungen als vielmehr die Bewertung von einzelnen epidemiologischen Studien.

Mit der Neuaufnahme von bestimmten Erkrankungen der Wirbelsäule in die Liste der Berufskrankheiten (Zweite Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18.12.1992, BGBl. I S. 2343; Bundesarbeitsblatt 3/1993 S. 47-58) wird die wissenschaftliche Diskussion über die Evidenz verschiedener beruflicher Fehlbelastungen (insbesondere auch von statischer Dauerbelastung/Haltungskonstanz) und Dosis-Häufigkeits-Beziehungen weitergeführt, nicht zuletzt deshalb, weil jetzt auch "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen" als Listennummer geführt werden und damit selbst gegenüber der Berufskrankheitenliste der ehemaligen DDR eine erhebliche Erweiterung erfolgt ist.

Bei den Vorbereitungen für die Begründung der neuen Berufskrankheiten-Ziffern 2108/2109 und die Merkblätter für die ärztliche Untersuchung bestand auch für die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin die Möglichkeit, sich an der Auseinandersetzung mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beteiligen. Ein Teil dieser Erkenntnisse fand in den Merkblättern ihren Niederschlag.

Unter präventiven Aspekten und zur praktischen Arbeit mit den neuen BK-Nummern bedarf es weiterer Informationen zur Epidemiologie, Biomechanik und Pathophysiologie degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen. Diesem Anliegen widmete sich auch eine im April 1993 in der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin durchgeführte Informationsveranstaltung. Insbesondere für die Teilnehmer der Veranstaltung, aber auch für weitere Interessenten enthält die vorliegende Broschüre die überarbeiteten und z. T. stark erweiterten Fassungen der Vorträge. Einige Abschnitte geben Informationen, die dem Arbeitsmediziner vertraut sind. Sie wurden dennoch aufgenommen, da auch nichtärztliche Kollegen in Berufsgenossenschaften, Aufsichtsbehörden, Instituten und anderen Einrichtungen angesprochen werden sollen, die an präventiven Aufgaben mitwirken. Die Bewertung von epidemiologischen Informationen kann in gutachterlichen Einzelfällen eine wichtige Orientierungshilfe sein.

Die Aufnahme des Beitrags über Heben und Tragen von Lasten erschien in zweifacher Hinsicht geboten: Einerseits bestehen große Unsicherheiten bei der retrospektiven Bewertung von Belastungen im Rahmen von Berufskrankheiten-Verfahren, andererseits werden große Erwartungen in die länderspezifische Umsetzung der EG-Richtlinie 90/269 zum Heben und Tragen von Lasten gesetzt. Auch hier sollen die Ausführungen zu einem besseren Verständnis beitragen und anregen, sich anhand der zitierten Publikationen intensiver mit Teilfragen zu beschäftigen.

Bibliografische Angaben

Titel:  Erkrankungen der Wirbelsäule bei körperlicher Schwerarbeit und Ganzkörperschwingungen. Erläuterungen zu den neuen BK-Nummern 2108, 2109, 2110 und zur EG-Richtlinie 90/269/EWG (Heben und Tragen von Lasten)

Verfasst von:  Heuchert, G.; Kössler, F.; Seidel, H.; Steinberg, U.

1. Auflage.  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1993. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Sonderschrift , S 3)

ISBN: 3-929306-04-2, Seiten: 84, Preis: 10,00 EUR, Papier

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