Gesundheitsrisiken durch Schwermetalle und Dioxine/Furane in Sekundärkupferhütten

Seit ca. 1970 wurden in drei Hütten des Mansfelder Reviers in unterschiedlichen Arten und Mengen Kupferschrotte aus dem Bereich Elektrotechnik/Elektronik verarbeitet. Die Technologie der Verhüttung plasthaltiger Kupferschrotte führte neben der Schwermetallexposition zu Belastungen durch Dioxine/Furane. In den Jahren 1989/90 wurden diese Belastungen öffentlich bekannt und mögliche Erkrankungsrisiken diskutiert.

Anlass für die Durchführung der vorliegenden Studie war:

  • die Beunruhigung der regionalen Bevölkerung im Umkreis dreier Sekundärkupferhütten, insbesondere der bei der Verhüttung von Elektronikschrott Beschäftigten, durch möglicherweise kanzerogene Gefahrstoffe aus Emissionen und Immissionen der Hütten;
  • die unzureichenden Informationen zur Belastungssituation in den Hüften, die nach thermischen Verfahren Elektronikschrott recycelten, und zu deren Wirkung auf den Gesundheitszustand der dort Beschäftigten;
  • das jährlich zunehmende Aufkommen an Elektronikschrott, das technologisch gefährdungsfreie Verfahren zur Rückgewinnung von Metallen erfordert.

Zielsetzung dieser Studie war die Bewertung der Belastungssituation zu Schwermetallen (Blei, Kupfer, Cadmium und Zink) und Dioxinen/Furanen sowie die Untersuchung der möglichen Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten in der Sekundärkupferverhüttung.

Methodik: Die Bewertung der Belastung durch Blei, Kupfer, Zink und Cadmium in der Luft basierte im Wesentlichen auf betrieblichen Messprotokollen und Biomonitoring-Werten für Blei. In einer Stichprobe von Beschäftigten (n=50) sind Dioxine und Furane im Blutfett bestimmt worden. Für die Analyse des Gesundheitszustandes standen zur Verfügung:

  1. Daten aus Datenbanken (Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Krankenhausbehandlungsfälle und Todesursachen 1984 bis 1989), die einen Vergleich der Exponierten aus den Hütten Helbra, Hettstedt und Ilsenburg (n=3 899) mit einer Kontrollgruppe (n=4 584) aus anderen Industriebetrieben der Region zuließen;
  2. Daten aus einer standardisierten Erhebung von 2 112 Beschäftigten der drei Hütten zu Belastungen am Arbeitsplatz, Erkrankungen und lebensstilbedingten Risikofaktoren, wie z. B. Rauchen. Der Dokumentation lagen arbeitsmedizinische Untersuchungsakten zugrunde.

Die statistische Analyse erfolgte mit dem Logitmodell für die Datenbankdaten und dem Cox-Modell für die Betriebsdaten.

Ergebnisse zur Belastungssituation: Die Mehrfachbelastung durch Schwermetalle (vorrangig Blei) und Dioxine/Furane (vorwiegend aber Furane) in den drei Sekundärkupferhütten war in der Hauptsache auf den Einsatz PVC-haltiger Buntmetallschrotte und verunreinigter Produktionsrückstände sowie die für das angewandte thermische Verfahren unzureichende Abgasreinigung zurückzuführen.

Der gegenwärtig gültige Grenzwert nach TRGS 900 war in den drei Hütten überschritten für Blei (15.6-39.1 % der Messergebnisse überschritten die MAK von 0.1 mg/m³), für Kupfer (54.0-83.2 % der Messergebnisse über 0.1 mg/m³), kaum für Zink (0.3-3.8 % der Messergebnisse über 5.0 mg/m³) und für Cadmiumoxid (1.2 % der Messergebnisse über 0.03 mg/m³, nur in Hettstedt).

Die mittleren Bleikonzentrationen im Blut betrugen in Ilsenburg (1980-1992) bei Männern 386.6 µg/l, bei Frauen 172.9 µg/l, in Hettstedt (1978-1992) bei Männern 327.6 µg/l, bei Frauen 200.5 µg/l und in Helbra (1975-1991) bei Männern 193.1 µg/l, bei Frauen 124.8 µg/l. Der gültige BAT-Wert von 700 µg/l wurde von ca. 20 % der erhobenen Blutbleikonzentrationen in Hettstedt und Ilsenburg überschritten.

Cadmium im Urin wurde bei 195 Beschäftigten der Hütte Helbra bestimmt. Ein Viertel der Cadmiumwerte im Urin lag über dem Referenzbereich von 2 µg/l (nichtrauchende Bevölkerung). Sie überschritten nicht den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorgeschlagenen Referenzwert für beruflich Exponierte von 15 µg/l.

Blutanalysen von 50 Hüttenwerkern auf polychlorierte Dioxine und Furane zeigten Belastungen vorwiegend im Bereich der Penta-, Hexa- und Hepta-Furane. Die mittlere Belastung durch Dioxine/Furane im Blutfett nach I-TEQ (NATO/CCMS) war am höchsten in Ilsenburg (42.80-299.10 pg/g), gefolgt von Hettstedt (14.10-78.50 pg/g) und Helbra (22.20-71.20 pg/g). Die Dioxin/Furan-Konzentrationen im Blutfett bei den Beschäftigten in den Hütten Helbra und Hettstedt lagen im Bereich der Hintergrundbelastung (11.60-93.50 pg/g) nach PÄPKE et al. (1992).

Die Werte für polybromierte Dioxine/Furane im Blut von 29 Probanden der Sekundärkupferhütten lagen unter der Nachweisgrenze. Die Konzentrationen polychlorierter Biphenyle im Blut von 46 Hüttenwerkern waren mit Ausnahme eines Probanden unauffällig.

Ergebnisse zum Gesundheitszustand von Beschäftigten der Hütten: Ein vermutetes höheres Risiko an Krebserkrankungen, speziell an Lungenkrebs, ließ sich sowohl bei männlichen als auch weiblichen Beschäftigten der Hütten im Vergleich zur regionalen Kontrollgruppe weder ausschließen noch statistisch sichern. Signifikante Assoziationen zwischen arbeitsbedingten Einflussfaktoren und untersuchten Krankheiten fanden sich bei:

  • gutartigen Neubildungen (9. ICD: 210.0 - 229.9)
  • chronischen obstruktiven Lungenkrankheiten (9. ICD: 490.0 - 496.0)
  • Krankheiten von Magen und Duodenum (9. ICD: 531.0 - 537.9)
  • Kontaktdermatitis (9. ICD: 692.0,1,2,4,8,9)
  • Hypertonie (9. ICD: 401.0 - 405.0.0), nur Männer
  • Herzinfarkt (9. ICD: 410.0), nur Männer
  • Menstruationsstörungen (9. ICD: 626.0 - 626.9)

Signifikante Assoziationen zeigten sich zwischen Bleibelastung und ischämischen Herzkrankheiten (nur Männer), Krankheiten von Magen und Duodenum, gutartigen Neubildungen; quarzhaltigen Stäuben und chronischen obstruktiven Lungenkrankheiten sowie Schwangerschaftsstörungen und Schwerarbeit.

Bei bleiexponierten Männern trat eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung zur Hypertonie auf. Das Odds-Ratio erhöhte sich von OR=1.03 (95%-CI=0.48-2.19) in der untersten (0.005-0.010 mg/m³) auf OR=1.52 (95%-CI=1.26-1.83) in der obersten Expositionsgruppe (>0.020 mg/m³).

Schlussfolgerungen: Die Studie zeichnet ein Bild über die Morbidität einer Industriekohorte über ca. 25 Jahre. Sie zeigt statistische Zusammenhänge zwischen der "gesamttoxischen Situation" und den gesundheitlichen Veränderungen oder Auffälligkeiten. Einen Kausalitätsnachweis für die festgestellten Zusammenhänge kann diese retrospektive Studie nicht erbringen, da in den 70er und 80er Jahren nicht der gesamte Expositionsumfang messtechnisch erfasst wurde. So waren u.a. arbeitsplatzbezogene Messdaten von weiteren potentiellen Kanzerogenen am Arbeitsplatz im Wesentlichen von Arsen - nicht verfügbar, aber ihre Existenz in Emissionen und Immissionen konnte später nachgewiesen werden. Da die Dioxine/Furane im Blut nur bei einer Stichprobe von hoch Exponierten bestimmt wurden und nicht repräsentativ für die Beschäftigten in den Hütten gesamt waren, konnten diese auch nicht in die Risikoanalyse einbezogen werden.

Die Ergebnisse zu Gesundheitseffekten durch anorganische Bleiverbindungen unter dem derzeitig gültigen MAKD-Wert von 0.10 mg/m³ unterstützen die derzeitigen Diskussionen zu dessen Absenkung.

Die Ergebnisse der Studie belegen die notwendige Kontrolle und Dokumentation der Schadstoffe an den Arbeitsplätzen in Recyclingbetrieben der Metallurgiebranche und die gezielte arbeitsmedizinische Betreuung der dort Beschäftigten.

Bibliografische Angaben

Titel :  Gesundheitsrisiken durch Schwermetalle und Dioxine/Furane in Sekundärkupferhütten. 

Verfasst von:   Kersten, N.; Bräunlich, A.

1. Auflage .  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 2002. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschungsbericht , Fb 960)

ISBN: 3-89701-867-5, Seiten:  280, Projektnummer : F 5027, Papier

vergriffen

Weitere Informationen