Anorganische Fasern im menschlichen Lungengewebe

In einer Fall-Kontroll-Studie wurde geprüft, ob neben Asbestfasern auch sonstige Mineralfasern (SMF) das diffuse maligne Mesothliom (DMM) verursachen können.

Bei anamnestischen Untersuchungen wurden 324 DMM-Patienten mit 315 Krankenhauskontroll-Patienten aus sieben Kliniken und 182 Kontrollpersonen aus der Bevölkerung verglichen. Die Diagnose des DMM wurde durch eine Gruppe erfahrener Pathologen abgesichert. Für 66 DMM- und 147 Kontroll-Patienten, bei denen auch Gewebe für die Faseranalytik im Lungenstaub vorlag, erfolgte die Ferruginous Bodies (FB)-Zählung mit dem Lichtmikroskop. Mit dem analytischen Rastertransmissions-Elektronenmikroskop (ARTEM) wurden die 66 DMM- im Vergleich zu 66 der Kontroll-Patienten untersucht.

Die anamnestischen Ergebnisse bestätigen Asbest erwartungsgemäß als den überragenden Risikofaktor. Aber auch für künstliche Mineralfasern (KMF) bleiben selbst bei Asbestadjustierung signifikante Wirkungsbeiträge zum DMM-Risiko erhalten. Auch durch die Lungenstaubfaseranalyse werden Asbestfasern als überragender Risikofaktor ausgewiesen. Für das DMM-Risiko besteht eine klare Konzentrations-Häufigkeits-Beziehung nur für Amphibol aber nicht für den zu über 90 % verwendeten Chrysotil. Die Odds Ratio (OR) des DMM-Risikos kann in Abhängigkeit von der Konzentration der Amphibolfasern (CAmph) einer Länge L ≥ 5 µm durch eine lineare Approximation beschrieben werden. Zwischen CAmph = 0,025 und 2,5 F/µgtr (Fasern je Millionstel Gramm getrockneter Lunge) gilt: OR = CAmph/0,025 F/µgtr. Bereits bei Konzentrationen von 0,1-0,2 F/µgtr, die noch bei ca. 5 % der Allgemeinbevölkerung zu erwarten sind, wird ein signifikant erhöhtes DMM-Risiko nachgewiesen. Dies trifft zu, obwohl es sich bei den Kontroll-Patienten zu einem erheblichen Teil um Lungenkrebs-Patienten handelt, für die mit einer zu niedrigen OR gerechnet werden muß. In Abhängigkeit von der FB-Konzentration steigt die OR schwächer als linear an. Ein auch nach Asbestadjustierung noch signifikanter Wirkungsbeitrag von SMF wird nicht beobachtet. Dies gilt nicht nur für SMF insgesamt sondern auch für jede von 12 Arten dieser SMF mit definierter Elementzusammensetzung und eine dreizehnte Restgruppe.

Allerdings ergeben sich wichtige Warnhinweise für Talk (SiMg)-Fasern, und für den "Rest der SMF". Beide Arten weisen im jeweils höchsten besetzten Konzentrationsintervall signifikant erhöhte Odds Ratios auf. Bei Asbestadjustierung geht diese Signifikanz zwar verloren. Die tendenziell verbleibende Erhöhung entspricht jedoch gerade dem auch für Amphibolfasern erwarteten Anstieg. Selbst bei Patienten mit eindeutigen anamnestischen Hinweisen auf KMF gelingt der zweifelsfreie Nachweis von Isolierwollefasern im Lungengewebe nicht. Hieraus kann auf eine auch im Vergleich zu Chrysotilfasern geringe Biobeständigkeit der KMF geschlossen werden. Ebensowenig wie für Chrysotilfasern selbst beweist dieser Befund allerdings das Fehlen einer Mesotheliom-erzeugenden Wirksamkeit, denn es ist nicht auszuschließen, daß Fasern einen Tumor verursachen, bevor sie aus der Lunge elimiert werden. Zwischen dem anamnestisch ermittelten Schätzwert der Asbestfaserdosis und der Amphibolfaser-Konzentration der Lungenstaubfaseranalytik besteht ein Zusammenhang, aus dem sich zu der Dosis von 25 Faserjahren eine Äquivalenzkonzentration von 2 F/µgtr ergibt.

Bibliografische Angaben

Titel :  Anorganische Fasern im menschlichen Lungengewebe. Lungenstaubfaseranalytik zur Epidemiologie der Risikofaktoren des diffusen malignen Mesothelioms (DMM)

Verfasst von:   Rödelsperger, K.

1. Auflage .  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1996. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Forschungsbericht , Fb 01HK076)

ISBN: 3-89429-640-2, Seiten:  376, Preis : 28,00 EUR, Papier

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