Untersuchungen zu Lungenkrebs und Risiken am Arbeitsplatz (Schlußbericht)

In einer epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie wurden 1004 Lungenkrebspatienten (839 Männer und 165 Frauen) aus Bremen, dem Bremer Umland und dem Großraum Frankfurt/Main sowie eine nach Alter, Geschlecht und Wohnregion individuell gematchte Kontrollgruppe aus der Normalbevölkerung mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens detailliert zu ihrer Berufsanamnese, ihren Rauch- und Ernährungsgewohnheiten interviewt. Der Großteil der Studienteilnehmer kam aus dem norddeutschen Raum (rund 90 %), davon etwa die Hälfte aus Bremen, wofür der Populationsbezug der Studie hergestellt ist. Eingeschlossen wurden alle Patienten mit Geburtsdatum nach 1913 deutscher Nationalität, für die das Diagnosedatum bei Interview nicht älter als drei Monate war und deren primäres Bronchialkarzinom histologisch oder zytologisch gesichert war. Die Rekrutierung und Befragung der Studienteilnehmer fand im Zeitraum August 1988 - September 1993 statt. Umfangreiche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Qualität der Interviews und Daten zu sichern.

Prädominanter Risikofaktor war das Zigarettenrauchen, das für Personen, die mehr als 40 Packungsjahre in ihrem Leben geraucht haben, ein relatives Risiko von mehr als 10 beträgt. Der berufliche Umgang mit Asbest für mehr als 940 Lebensarbeitsstunden zeigt eine nahezu 50%ige Risikoerhöhung (OR: 1.45, p< 0.05) nach Adjustierung für Rauchen, die Gruppe der davon Betroffenen macht 20.5 % der Kontrollen und 29.2 % der Fälle aus.

Ausgehend von 32 a priori definierten Berufs- und 21 Branchengruppen fanden sich statistisch signifikante Risikoerhöhungen in der Gummi- und Kunststoffindustrie, dem Maschinen- und Fahrzeugbau, der Metallerzeugung, dem Hoch- und Tiefbau, dem Ausbaugewerbe, bei Metallerzeugern und -bearbeitern, Mechanikern, Schlossern und Klempnern sowie Lager- und Transportarbeitern nach Adjustierung für das Rauchen. Lediglich für die im Hoch- oder Tiefbau Beschäftigten und Mechaniker/Schlosser/Klempner war diese Auffälligkeit nach Adjustierung für Exposition gegenüber Asbest nicht mehr statistisch signifikant. Berufe und Industriebereiche, für die nach Einschätzung der IARC ein epidemiologisch gesichertes Lungenkrebsrisiko besteht, zeigten sich auch in dieser Studie auffällig. Eine Bestätigung fand sich für alle seitens der IARC als vermutlich risikobehaftet eingestuften Industriebereiche Transport über die Straße (OR: 1.55, p<0.05), Eisenerzeugung (OR: 1.86, p<0.05), für Tankstellen (OR: 2.78, n.s.) und Gummiindustrie (OR: 4.10, n.s.) nach Adjustierung für das Rauchen. Bei den entsprechenden Berufen ergab sich das folgende Bild: statistisch auffällig waren Schienenfahrzeugführer (OR: 3.03, p< 0.05), Kfz-Führer (OR: 1.66, p<0.05) und Tankwarte (OR: 2.98, p< 0.05), darüber hinaus mit einem OR von 3.65 versehen die Gruppe der Gummihersteller und -verarbeiter (n.s.). Zusammengenommen weisen alle sicher oder vermutlich risikobehafteten Industriebereiche und -berufe ein bevölkerungsbezogenes Attributivrisiko von 25% bei Männern bzw. 16 % bei Frauen auf, d. h., dieser Anteil der Bronchialkarzinom-Fälle in der Studienregion könnte durch Elimination der so definierten beruflichen Risiken vermieden werden. Darüber hinaus werden signifikant erhöhte Risiken beobachtet bei Schweißern, Kunststoffverarbeitern, Feinblechern, Rohrinstallateuren, Fleischern, Mehl- und Nährmittelherstellern und Stauern. Bei den Frauen werden darüber hinaus auch die Raum- und Hausratreinigerinnen sowie Beschäftigte im Gaststättengewerbe statistisch auffällig.

Hinsichtlich stofflicher Expositionen zeigten sich deutliche Hinweise auf eine lungenkanzerogene Wirkung der Exposition gegenüber Dieselruß und Schweißrauchen. Weitere Hinweise auf ein Gefährdungspotential ergaben sich für die Exposition gegenüber Kühlschmiermitteln und künstlichen Mineralfasern sowie für das Passivrauchen.

Auch bei den Frauen ergaben sich deutliche Hinweise auf eine berufliche Mitverursachung des Lungenkrebses. Die überwiegend aus der Untersuchung an Männern bekannten Risikoberufe und -branchen wurden auch für die dort beschäftigten Frauen bestätigt. Darüber hinaus zeigte sich, daß für das berufliche Lungenkrebsrisiko bei Frauen qualitativ und quantitativ weitere und andere Beschäftigungsbereiche bedeutsam sind.

Bibliografische Angaben

Titel :  Untersuchungen zu Lungenkrebs und Risiken am Arbeitsplatz (Schlußbericht). 

Verfasst von:   Jöckel, K.-H.; Ahrens, W.; Jahn, I.; Pohlabeln, H.; Bolm-Audorff, U.

1. Auflage .  Bremerhaven:  Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 1995. 
(Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin: Forschungsbericht , Fb 01HK546)

ISBN: 3-89429-985-1, Seiten:  280, Preis : 21,50 EUR, Papier

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