Corona-Pandemie kann psychisch belasten

Die Corona-Pandemie geht für viele Beschäftigte mit psychischer Belastung einher, sei es durch überlange Arbeitszeiten, durch veränderte Arbeitsbedingungen oder sogar durch Arbeitsplatzunsicherheit jeweils vor dem Hintergrund des Schutzes vor Infektion.

  • Datum 14. Mai 2020

Frau schaut auf ihr Telefon, während sie am Laptop zu Hause arbeitet.
Psychische Belastung in Zeiten von Corona © istock | Goran13

Das Corona-Virus verändert die Arbeitswelt zurzeit massiv. Während manche Bereiche wie die Gastronomie stark heruntergefahren sind, erhöhen sich der Zeit- und Leistungsdruck für andere Beschäftigte in Branchen wie der Pflege, der Logistik oder dem Handel. Zusätzliche Hygienemaßnahmen oder der wachsende Online-Handel müssen mit gleichbleibender Personaldecke bewältigt werden, was zu Überforderungserleben führen kann. Gerade in diesen Bereichen nehmen die manchmal schwierigen Kontakte mit Kunden oder Patienten und Angehörigen zu. Verlängert sich die Arbeitszeit, bleibt weniger Zeit für die Erholung, was zu Erschöpfung und Ermüdung führen kann.

Balance kann verlorengehen

Zwar verringert das Arbeiten von zuhause aus die Infektionsgefahr, dafür steigen die Anforderungen an die eigene Organisationskompetenz. Sind Kinder oder Angehörige zu betreuen, kann diese Doppelbelastung die Arbeit in ungünstige Tageszeiten verdrängen. Die Erholung bleibt auf der Strecke, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen. Zugleich kann der direkte Kontakt zu Vorgesetzten und Kollegen als Ressource bei der Arbeitsbewältigung fehlen. Dabei fordern Konferenzen oder Briefings über Videokonferenz-Systeme bei vielen Beschäftigten neue fachliche Kompetenzen.

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie soll Arbeit menschengerecht und belastungsoptimal gestaltet sein. Das gilt insbesondere für die psychische Belastung. Die BAuA forscht mit Projekten wie "Begrenzung und Fokussierung als Strategien im Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck" oder "Intervention zum gesundheitsförderlichen Umgang mit orts- und zeitflexiblem Arbeiten von Beschäftigten und Teams in Organisationen" zu wichtigen Schlüsselfaktoren psychischer Belastung.

Zeit- und Leistungsdruck

Zeit- und Leistungsdruck ist ein wichtiger und weit verbreiteter Belastungsfaktor in der Arbeitswelt, der, bei längerem Auftreten und hohem Niveau, ein Risiko für Beeinträchtigungen des Befindens und der Gesundheit der Beschäftigten darstellt. In der derzeitigen Ausnahmesituation durch das Coronavirus sind Beschäftigte, insbesondere in den so genannten systemrelevanten Berufen, wie bspw. Pflegekräfte im Krankenhaus oder Seniorenheimen, Ärztinnen und Ärzte, aber auch Beschäftigte in der Logistik, im Handel oder bei Polizei und Ordnungsamt betroffen.

Verbreitete Umgangsweisen mit hohem Zeit- und Leistungsdruck sind die Arbeitsausdehnung, wie beispielsweise das Leisten von Überstunden, sowie die Arbeitsintensivierung, wie beispielsweise das Schnelle Arbeiten oder Multitasking. Diese Umgangsweisen sind zwar hilfreich zur Bewältigung eines hohen Arbeitspensums oder zur Erreichung vorgegebener Ziele, für die Beschäftigten bleiben sie jedoch auf Dauer eher gesundheitsgefährdend. Es bedarf somit anderer Umgangsweisen und damit verbundener Bedingungen, die Gesundheit und Motivation erhalten.

Guter Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck

Das Projekt F 2406 "Begrenzung und Fokussierung als Strategien im Umgang mit Zeit- und Leistungsdruck" hatte das Ziel, Umgangsweisen zu untersuchen, die sog. "Gegenstrategien" zu den allgemein üblichen Strategien der Arbeitsintensivierung und Arbeitsextensivierung darstellen. Von Juni bis Dezember 2017 wurden dazu Fallstudien in fünf Betrieben der Wissens- und Dienstleistungsarbeit durchgeführt, deren Kern insgesamt 45 Interviews mit Beschäftigten waren.

In der Interviewstudie berichteten die Beschäftigten zum einen Umgangsweisen, die die Ausdehnung der Arbeit begrenzen (z. B. durch die Umverteilung von Arbeit im Team). Zum anderen schilderten die Befragten Umgangsweisen, die ihnen ein fokussiertes, d.h. konzentriertes und zeitlich entzerrtes Arbeiten ermöglichen (z. B. durch die Vermeidung von Störungen). Die erfolgreiche Realisierung dieser Umgangsweisen hängt von unterschiedlichen organisationalen, tätigkeits- und teambezogenen sowie individuellen Voraussetzungen ab, wie z.B. einem guten Miteinander im Betrieb mit gegenseitiger Unterstützung und Fürsorge, angemessenen Leistungserwartungen, ausreichenden Freiräumen bei der Aufgabeerledigung oder Möglichkeiten für gegenseitigen Austausch und Entlastung.

Eine erfolgreiche Begrenzung und Fokussierung wird von den Beschäftigten grundsätzlich positiv bewertet. Sie schilderten jedoch auch negative Begleiterscheinungen, wie z. B. Mehrarbeit für Kollegen. Diese spiegeln jedoch häufig betriebliche Problematiken und strukturelle Defizite wider, wie bspw. eine unzureichende Personalbemessung oder unrealistische Zielvorgaben. Begrenzung und Fokussierung müssen deshalb immer im betrieblichen Kontext und den gegebenen sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz bewertet werden.

Orts- und zeitflexibles Arbeiten

Aktuell arbeiten viele Menschen in Deutschland im Homeoffice. Für viele ist dies eine ungewohnte und neue Situation. Die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeitmodelle und mobiler Arbeit unabhängig vom Arbeitsort werden auch als orts- und zeitflexibles Arbeiten bezeichnet. Beschäftigte haben also Einfluss darauf, wo und wann sie arbeiten.

Bisherige Forschung zeigt, dass orts- und zeitflexible Arbeit Vorteile für Berufstätige bieten kann, zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Gestaltung der Arbeitszeit entsprechend der eigenen Wünsche, der Wegfall von Pendelzeiten oder konzentrierteres Arbeiten ohne Unterbrechungen. Auch für Arbeitgeber kann es Vorteile haben, wenn ihre Beschäftigten orts- und zeitflexibel arbeiten. So kann dadurch die Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität steigen.

Orts- und zeitflexible Arbeit kann jedoch auch Risiken für Berufstätige mit sich bringen. Studien zeigen beispielsweise, dass Menschen im Homeoffice mehr arbeiten als Menschen, die nicht von zuhause aus tätig sind. Laut einer repräsentativen Befragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin arbeiten Menschen im Homeoffice durchschnittlich länger, machen häufiger Überstunden und verletzen öfter die gesetzlichen Mindestruhezeiten von elf Stunden zwischen Arbeitsende und dem nächsten Arbeitsbeginn als Menschen, die nicht von zuhause aus tätig sind. Dies kann es erschweren, sich ausreichend zu erholen.

In der aktuellen Lage kommt hinzu, dass die Arbeit im Homeoffice für viele Berufstätige eine neue Situation ist, manchmal in Verbindung mit einer Mehrfachbelastung, beispielsweise durch Kinderbetreuung. Viele Berufstätige müssen daher noch eigene Strategien zum Umgang mit der neuen Situation entwickeln. Dazu gehören zum Beispiel, wie man Grenzen zwischen Lebensbereichen zieht, wie man sich gedanklich von der Arbeit löst, wie man effektiv im Homeoffice arbeitet und wie man selbst dafür sorgt, sich ausreichend Pausen und Erholungszeiten zu nehmen.

Gesundheitsförderlicher Umgang mit orts- und zeitflexiblem Arbeiten

Im aktuell laufenden Projekt F 2454 "Intervention zum gesundheitsförderlichen Umgang mit orts- und zeitflexiblem Arbeiten von Beschäftigten und Teams in Organisationen" werden verschiedene Interventionen entwickelt und evaluiert, in denen Berufstätige entsprechende Strategien für eine gesundheitsförderliche Gestaltung orts- und zeitflexiblen Arbeitens erlernen. Basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen werden verschiedene Trainings speziell für Berufstätige entwickelt, die zeitweise oder auch ständig unabhängig von festen Arbeitsorten und Arbeitszeiten arbeiten. In mehreren Studien wird ab Herbst 2020 untersucht, ob die entwickelten Trainingsmaßnahmen Berufstätigen, die (teilweise) flexibel gestalten können, wo und wann sie arbeiten, dabei helfen, mit den Herausforderungen orts- und zeitflexiblen Arbeitens besser umzugehen. Die Projektergebnisse sollen dazu dienen, Berufstätigen, die orts- und zeitflexibel arbeiten, konkrete Strategien und Handlungsmaßnahmen an die Hand zu geben, wie sie ihren Arbeitsalltag so gestalten können, dass sie gesund, zufrieden und effektiv arbeiten.

Forschungsprojekte