Gefährdungsbeurteilung - Ist sie mit dem EMKG einfacher als ihr Ruf? Erfahrungen eines EMKG-Anwenders
Die Gefährdungsbeurteilung betrifft jeden Arbeitsplatz und Gefahrstoffe finden Sie in fast allen Unternehmen. Dieter Zipfel arbeitet in einem Textilservice-Unternehmen mit Niederlassungen deutschlandweit. Der Service umfasst das Vermieten, Waschen und Pflegen von Textilien für Unternehmen jeder Größe, aber auch für Kliniken und Institutionen des Gesundheitswesens.
Als Fachkraft für Arbeitssicherheit berät Herr Zipfel seinen Arbeitgeber und unterstützt alle Standorte in Deutschland bei der Gefährdungsbeurteilung. Um die Arbeitsabläufe möglichst realitätsnah beurteilen zu können, bindet er seine Kollegen und Kolleginnen von Anfang an mit ein. Damit erreicht er, dass ein Bewusstsein für Risiken geweckt wird, das zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen motiviert. In diesem Interview gibt er Tipps und teilt seine Erfahrungen bei der Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe mit. Für einen leichten Einstieg in das schwierige Thema nutzt er das "Einfache Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe" (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Herr Zipfel, für welche Tätigkeiten und Produkte in den Wäschereien benötigen Sie eine Gefährdungsbeurteilung?
In der Wäscherei setzen wir in erster Linie Reinigungs- und Waschmittel sowie Waschchemikalien ein. Hierauf müssen wir natürlich unser Augenmerk richten, um die Mitarbeitenden, die damit umgehen, zu schützen.
Sie haben vor einiger Zeit das EMKG in mehreren Filialen eingeführt. Wodurch sind Sie auf das EMKG aufmerksam geworden und warum haben Sie sich dafür entschieden?
Wir haben uns im letzten Jahr dazu entschlossen unser Arbeitsschutzmanagement noch weiter zu verbessern. In diesem Zuge haben wir bei Bardusch in Deutschland die Norm ISO 45001, SGA (Sicherheits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit) eingeführt. Im Vorfeld hatten wir einen externen Berater hinzugezogen, der das EMKG bereits kannte. Als zuständiger Mitarbeiter für die Arbeitssicherheit habe ich mir auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) das EMKG angeschaut und mich spontan zu einem EMKG-Workshop angemeldet. Mir wurde schnell klar, dass das für unsere Bardusch Niederlassungen und unsere Arbeit sehr, sehr hilfreich sein wird.
Wie würden Sie Ihre Anfänge mit dem EMKG beschreiben?
Also, ich habe ganz klassisch mit den EMKG-Drehscheiben in der Niederlassung Ettlingen begonnen. Diese EMKG-Drehscheiben wurden so entwickelt und aufgebaut, dass die Anwender sich mit ihrem Einsatz vor Ort schnell einen Überblick verschaffen und Gefährdungspotentiale rasch ermitteln können. Ich bin zu den Beschäftigten gegangen und habe zusammen mit ihnen anhand der Drehscheiben ihre Arbeitsplätze auf mögliche Gefährdungspunkte hin getestet. Somit wurden sie gleich in die Anwendung mit eingebunden. Schnell habe ich gemerkt, dass dadurch das Thema "Umgang mit Gefahrstoffen“ erheblich vereinfacht wird. Der nächste Schritt war dann eine Drehscheiben-Fotodokumentation unserer Gefährdungsbeurteilung. (Herr Zipfel lacht)
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Ort haben mich irgendwann gefragt: "Mensch, gibt es da keine App?“. Es ist natürlich klar, dass es vor allem für die Jüngeren in Richtung EMKG-Software und -App geht.
Was würden Sie sagen, wie hat sich seitdem die Gefährdungsbeurteilung vor Ort verändert?
Grundsätzlich gibt es bei uns schon lange eine Gefährdungsbeurteilung. Geändert hat sich, dass durch die einfache Anwendung des EMKG neben den Verantwortlichen nun alle Mitarbeitenden tiefer im Thema sind. Sie sehen und erleben nicht nur die Gefährdungsbeurteilung ihrer Vorgesetzten, sondern werden selbst mit einbezogen. Das ist ein großer Pluspunkt.
Nutzen Sie neben den EMKG-Drehscheiben und der EMKG-App auch die EMKG-Software?
Ja, wir wenden die EMKG-Software an. Ich war zunächst der Meinung, dass an Arbeitsplätzen, an denen kein PC vorhanden ist, gut mit den Drehscheiben oder der App gearbeitet werden kann. Aber ich wurde sehr schnell eines Besseren belehrt. Die EMKG-Software wird gerne und von allen genutzt. Jeder im Betrieb macht sich sehr viele Gedanken über die Anwendung des EMKG und die daraus resultierende Umsetzung der Schutzmaßnahmen. Und ja, je mehr wir uns mit dem EMKG auseinandersetzen, umso besser wissen wir über das Thema Gefahrstoffe Bescheid. Das hat mich sehr positiv überrascht.
Das EMKG beginnt mit immer umzusetzenden Schutzmaßnahmen im Arbeitsbereich. Dazu zählen Organisations- und Hygienemaßnahmen, eine gute Lüftung, ein aufgeräumtes Lager und Brandschutzmaßnahmen. Welchen Effekt hat diese gute Arbeitspraxis als Ausgangsbasis in Ihrem Betrieb?
Die Mindeststandards wurden bei uns schon immer eingehalten. (Herr Zipfel schmunzelt). Ein Beispiel ist der Brandschutz. Er ist in der Wäscherei ein riesiges Thema. Wir reden ja von Brandlasten der Textilien und von Textilstäuben, die sich im Arbeitsbereich ablagern. Wie gesagt, wir achten hier besonders auf die richtige Lagerung von Textilien und auf staubfreie, saubere Arbeitsplätze.
Bei der Organisation im Brandschutz sind Brandschutzhelfer, Evakuierungsübungen, aber auch Flucht- und Rettungspläne, Notausgänge sowie regelmäßige Fortbildungen ein Muss.
Würden Sie sagen, dass vor allem die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung verbessert wurde?
Auf jeden Fall. Generell war und ist die Dokumentation ein Thema. Hier haben wir einen gewaltigen Fortschritt gemacht. Bisher wurde einiges "aus dem Bauch heraus“ gemacht oder weil es ein Vorgesetzter so gesagt hatte. Jetzt wird alles gut dokumentiert und ich denke, wir haben wirklich allen vermittelt, warum sie etwas machen sollen. Das ist auch ein Aspekt, den es früher so in der Tiefe nicht gegeben hat.
Sie nutzen auch die Angebote der BAuA. Bei den EMKG Treffpunkten und Workshops sind Sie immer sehr aktiv. Welche Impulse haben Sie für sich daraus mitgenommen?
Der erste Workshop war ganz prägend für mich. Ich habe als Neuling einen sehr guten Überblick bekommen. Dabei war von Vorteil, dass die Veranstaltung in Präsenz stattfand.
Warum? Im Workshop gab es Teilnehmer aus unterschiedlichsten Firmen, verschiedene Größen. Vom Ein-Mann-Gerüstbau bis zum 600-Mann-Betrieb. Alle haben ihre individuelle Anzahl an Gefahrstoffen zu verwalten. Es war sehr wichtig, zu hören, wie die Anderen mit dem Thema umgehen, was die für eine Situation haben. Und natürlich hat mich die Software interessiert, die wurde mir zum ersten Mal im Workshop vorgestellt und das war richtig gut.
Auch an den Online-Treffpunkten, die schon nach kurzer Einführung in ein EMKG-Thema zu einem Erfahrungsaustausch einladen, nehme ich regelmäßig teil. Sie helfen mir auf dem Laufenden zu bleiben und mich mit anderen EMKG-Anwendern zu vernetzen.
Was möchten Sie als nun erfahrener EMKG-Anwender anderen Unternehmen für ihre Gefährdungsbeurteilung mit auf den Weg geben?
Wie der Name schon sagt, das EMKG ist ein einfaches Maßnahmenkonzept. Man muss einschätzen, in wie weit man selbst mit Gefahrstoffen zu tun hat. Dann muss überlegt werden, mache ich die Beurteilung über das EMKG, oder nutze ich einen anderen Weg, der aufwändiger sein kann.
Ich finde die EMKG-Vorgehensweise richtig und würde sagen, wenn sich jemand diese Arbeit macht und die abgeleiteten Schutzmaßnahmen umsetzt, dann ist es für den Umgang mit Gefahrstoffen eine sehr gute Sache.
Bleibt noch zu erwähnen, dass wir bereits zwei Piloten in zwei Bardusch Niederlassungen gemeinsam mit der BAuA durchgeführt haben. Also Praxis für die Praxis.
Würden Sie das EMKG weiterempfehlen?
Auf jeden Fall. Sie sehen ja, wir planen, das EMKG an mehreren Niederlassungen auszurollen. Das EMKG baut auf der Gefahrstoffverordnung auf. Das heißt, man erhält eine gewisse Rechtssicherheit und hat auch die Möglichkeit, daraus ein Gefahrstoffverzeichnis zu erstellen. Deshalb ja, ich kann es nur empfehlen!
Interviewt wurde Dieter Zipfel (Bardusch GmbH & Co. KG, Pforzheimer Str. 48, 76275 Ettlingen) von Dr. Stephanie Kaiser (BAuA) und Katrin Braesch (BAuA)